teleschau: Das klingt jetzt aber nicht so, als wollten Sie das Genre revolutionieren ...
Henke: Nein, wir sind erfolgreich mit dem Konzept ?klassischer Ermittlerkrimi?, und das soll auch grundsätzlich so bleiben. Dazu kommen die Binnengeschichten um die Kommissare, die beim Publikum ebenfalls einen hohen Stellenwert einnehmen. Fast jeder Zuschauer hat einen oder mehrere Ermittler-Lieblinge und verfolgt auch deren private Entwicklung über einen langen Zeitraum. Dennoch gilt eine Verabredung unter den Sendern, dass das Privatleben der Ermittler nicht mehr Raum einnehmen darf als der Fall selbst.
teleschau: Wie stark spürt man in diesem Gremium die Konkurrenz der unterschiedlichen TATORT-Sender? Werden gute Quoten des Anderen misstrauisch beäugt?
Henke: Das Schöne ist, dass alle TATORTe erfolgreich sind. Daher hält sich der Konkurrenzkampf in Grenzen. Ich habe eher das Gefühl, dass alle Senderverantwortlichen großen Spaß daran haben, an der Fortentwicklung der Reihe TATORT mitzuarbeiten. Das Format existiert seit fast 38 Jahren, und diese Kontinuität empfinden alle Beteiligten als Segen. Wann hat man schon mal die Chance, einen fiktionalen Stoff über einen so langen Zeitraum weiterzuentwickeln? Auch die Schauspieler, Autoren und Regisseure bringen sich beim TATORT emotional oft viel stärker ein, weil sie wissen: Nach diesem einen Film ist nicht Schluss, sondern diese Geschichten werden im Prinzip immer weiter geschrieben.
teleschau: Trotzdem sind einige Kommissare erfolgreicher als andere.
Henke: Das wechselt. Letztes Jahr hatte Ulrike Folkerts als Lena Odenthal mit über neun Millionen Zuschauern den erfolgreichsten Fall. Das Kölner Team liegt auch immer mit an der Spitze. Vor Kurzem war Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm die Kommissarin mit den besten Quoten.
teleschau: Kennen Sie das Geheimnis ihres Erfolges?
Henke: Maria Furtwängler ist jemand, der die Leute anzieht. Das sehen Sie auch an ihren anderen Filmen wie ?Die Flucht?. Sie bringt einfach das mit, was einen Star ausmacht: Glaubwürdigkeit, Natürlichkeit und die gewisse Aura. Noch eine Beobachtung: Heute spielt es für den Erfolg eines TATORT keine Rolle mehr, wie etabliert ein Kommissar bereits ist. Früher waren Ermittler wie Manfred Krug und Charles Brauer, die sehr lange dabei waren, meist auch die erfolgreichsten. Diese Regel gilt heute nicht mehr. Vor einigen Jahren hatten wir schon einmal einen größeren Umbruch in den Ermittlerteams: Da kamen zum Beispiel Maria Furtwängler oder das Münsteraner Team mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers dazu. Beide waren aus dem Stand sehr erfolgreich. Gerade hatten Richy Müller und Felix Klare als neue Stuttgarter Kommissare einen sehr quotenstarken Einstand. Die Leute sind durchaus neugierig auf neue Ermittler.
teleschau: Das spricht aber auch für die Stärke der Marke TATORT, der die Leute offensichtlich blind vertrauen.
Henke: Sie vertrauen ihr zumindest, und das ist eine komfortable Situation für alle Schauspieler und Autoren, die neu dazukommen. Man muss sich sein Publikum nicht so hart erkämpfen wie bei einem neuen Stoff ohne TATORT-Siegel. Aber auch nicht ohne Grund: Über viele Jahre hinweg werden beim TATORT kontinuierlich Höchstleistungen erbracht.
teleschau: Gibt es Pläne, sich der Stärke dieser Marke über die guten Quoten hinaus zu bedienen?
Henke: Wir gehen sehr behutsam mit der Marke TATORT um. Bislang gibt es den TATORT noch nicht einmal auf DVD, aber wir arbeiten gerade an einem Vertriebskonzept. Ich gehe derzeit davon aus, dass wir noch in diesem Jahr TATORT-DVDs verkaufen werden.