Interessante Konstellation: Kommissar und Psychologin
Ein weiterer Faktor, der für Kommissar Kamm nur eine unnötige Verzögerung der Ermittlungen darstellt, ist die ihm zur Seite gestellte Psychologin Kamm, die den Zeugen lieber seelischen Beistand leisten möchte statt sie zu einer Aussage zu drängen. Gerade aber die Psychologie stellt einen der großen Pluspunkte des Buches dar. Man könnte meinen, die Autorin sei selbst Psychologin, so genau sind die Einblicke in die psychologischen Hintergründe und Methoden. Dabei sind die Schilderungen nie lehrbuchhaft, sondern stimmig in die Geschichte integriert, sodass man einen Einblick in die Gedankenwelt und Motivation der Protagonisten erhält. Das Privatleben der Ermittler selbst ist im Großteil des Buches im Hintergrund, sodass der eigentliche Fall im Fokus steht und trotzdem über Andeutungen Interesse geweckt wird, mehr über die Ermittlerfiguren zu erfahren.
Auch als Filmvorlage hervorragend
Insgesamt kommt das Buch trotz Themen wie Neonazis und Türken ohne die üblichen Klischees aus. Vielmehr wird ein differenzierter Blick auf Rassismus, gescheiterte Familien, Selbstjustiz und eben Psychologie geworfen, wenn es vielleicht auch ein paar Zufälle zu viel gibt. Gerade in der zweiten Hälfte des Buches spitzt sich die Lage zu und die Spannung steigt bis zum Schluss an. Von der Erzählweise zeigt sich das Buch zeitgemäß mit einigen Zeitsprüngen und mehreren parallelen Erzählsträngen, die nach und nach zusammenlaufen. Auffällig zeigt sich die Unterteilung in viele kurze Unterkapitel, was direkt an Szenen in einem Film denken lässt. Und als Film, womöglich als TATORT, würde die Geschichte ebenfalls hervorragend funktionieren. Zwar gibt es unter den aktuellen Teams keines mit einer fest besetzten Psychologin, aber vom Charakter des Kommissars wäre etwa der neue Hamburger Ermittler Falke gut denkbar. Oder aber der Rostocker Polizeiruf-Ermittler Bukow, der im letzten Film ganz ähnlich wie Kamm im Buch urteilte: "So ne Psychotante bringt gar nichts". Zu Unrecht.
Timo Bredehöft