Das Motiv des Films
Harloffs Stendahl-Syndrom führt den Zuschauer zum eigentlichen Motiv des Krimis. Harloff erzählt Murot ganz nebenbei vom sog. "Paris-Syndrom", das - vorwiegend - japanische Touristen in Paris befällt, weil sie vor lauter Begeisterung, in Paris zu sein, buchstäblich durchdrehen.
Harloff nun, der rachsüchtige ehemalige Freund von Murot, begreift sein Leben als ein Gemälde oder Kunstwerk. In den Gemälden von brutalen Morden und schrecklichen Kreuzigungen sieht Harloff für sich einen Trostspender, trotz seiner Erkrankung. Durch die Betrachtungen der Bilder und Gemälde erkennt Harloff, dass die Menschheit - und damit auch er - alle leidvollen Schicksalsschläge und Entwicklungen überleben kann. Das schlimme Leid in den Bildern und damit in seinem eigenen Leben ist ein Trigger und funktioniert als treibende Kraft für das Über- oder das Weiterlebens. Das ist Harloffs eigentliches Thema.
Harloff, der einen wahnsinnigen, ja teuflischen Plan erdacht hat, ist überzeugt, ja geradezu zuversichtlich, dass das Leben immer einen Sinn ergibt. Und wenn es nur Rache ist, die einen am Leben erhält. Als Harloff im Städel-Mmuseum vor den Gemälden doziert, erklärt er seinem ehemaligen Freund Murot die eigenen Beweggründe, verklausuliert natürlich, denn eine offene, direkte Kampfansage kann er nicht machen, das wäre zu plump, eine Spielverderberei. Dass er sich an Murot rächen will, wird ihm und dem Zuschauer spätestens in dieser Szene klar. Alles was passiere, habe mit Murot zu tun, eröffnet Harloff ihm.
Der TATORT als Gemälde
Nicht umsonst beginnt der Film mit der Sicht auf zwei Gemälde, eins links und eins rechts. In das linke tauchen die Zuschauer zu Beginn ein, aus dem rechten wird der Zuschauer am Ende des Films auftauchen. Im Städel-Museum in Frankfurt wünscht sich Harloff von seinem alten Freund Murot, sich das Leben als Gemälde vorzustellen. Sein Auftrag an Murot: wern er alles erkenne und verstehe, was mit ihnen geschehen ist, was damals in der gemeinsamen Zeit passiert ist, würden die beiden vereint in einem Gemälde enden - und dann würde er, Harloff, aufhören. Womit, bleibt da noch offen - aber es ist der teuflische, ja wahnsinnige Plan in Harloffs krankem Kopf. Für Murot ist der Wahnsinn in Harloffs Kopf spätestens jetzt grob erkennbar, aber - das ist das Wesen des Wahnsinns - nicht vorhersehbar. Im Gemälde dieses TATORTs muss es unweigerlich zu einer weiteren, schlimmen Katastrophe kommen. Doch: werden Murot und Harloff am Ende auch wirklich im gleichen Gemälde, nebeneinander stehend, zu sehen sein?
Francois Werner