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"Willkommen in Hamburg"
Keinhighlighttatort
Objektiv betrachtet bereichert der Film die TATORT-Reihe tatsächlich, verleiht ihr einen neuen Farbtupfer, wie es die Macher beabsichtigten. Einmal jährlich wird der hartgesottene Fan solche Baller-Baller-TATORTe aus Hamburg auch locker verkraften. Aber es stellt sich die Frage: warum soll man sich den Aufguss der Schweiger-Kinofilme unter falschem Namen nochmal im heimischen Wohnzimmer anschauen?
Tschiller ist der Retter einiger hanseatischer Liebesarbeiterinnen Bild: © NDR/Marion von der Mehden |
TATORT-Fans werden sich möglicherweise unterfordert fühlen, denn die Geschichte ist simpel und einfach gestrickt. Man kann ihr gut folgen und erkennt schnell, wer gut, wer böse ist. Das Ziel ist schnell ausgemacht, der neue Ermittler Niklas ?Nick? Tschiller verfolgt es konsequent, selbst er hat verstanden, worum es geht: den mächtigen ASTAN-Clan zu zerschlagen, der in Hamburg übelsten Menschenhandel betreibt und junge Teens aus Osteuropa zur Prostitution zwingt.
Hanseatisches Katz- und Mausspiel
Vier Tage bevor der große Prozess gegen den Clanfürsten starten kann, hebt Tschiller an seinem ersten Arbeitstag im LKA eine Wohnung aus, in welcher der Clan junge Prostituierte festhielt. Dabei tötet er drei Clan-Mitglieder in Notwehr und stört damit den Kiezfrieden nachhaltig - und macht sich gleichzeitig zum Ziel des Clans, das Katz- und Mausspiel kann beginnen.
Klug und sehr witzig - Tilnicks neuer Kollege Gümer, leider noch lädiert, aber trotzdem fröhlich. Bild: © NDR/Marion von der Mehden |
Da bleibt der erste Schweiger-TATORT mit ?nur? 7 Leichen (oder waren es 8?) sogar klar unter den Erwartungen. Schon die ersten 3 verbrät Tilnick in den ersten Minuten, was dem ungeübten Zuschauer von Schweiger-Filmen auch das eine oder andere Grinsen abverlangt ? eine Revolution ist es aber freilich nicht für einen TATORT, wie Schweiger irrtümlich annahm und stolz hinausposaunte.
Gegen alle Widerstände!
Natürlich gibt es auch das im TATORT übliche Gemecker vom Vorgesetzten, der arroganten Staatsanwältin und selbst die grummeligen LKA-Kollegen sind über den Neuzugang nicht besonders erbaut ? Nicktil muss es eben schwer haben in diesem bösen Kiez-TATORT!
Doch Schweiger wäre nicht Tschiller, wenn er sich gegen alle Widerstände verbissen bis ans Ziel schießen würde ? das Böse immer fest im Auge, en passant immer wieder verbeult, blutend , betäubt und körperlich arg versehrt durch Hamburgs Stadt oder Hotels laufend. Am Ende wird natürlich auch der Chef zu seinem Neuzugang halten und ihm die eine oder andere Lüge verzeihen.
Der neue LKA-Beamte Tschiller bei der Arbeit: Explosionen trotz er, Ziele fokussiert er, Kopfarbeit delegiert er Bild: © NDR/Marion von der Mehden |
Lichtblick Gümer - mit Grips und Witz
Zum Glück gibt es nicht nur Tilnick am TATORT: Sein Kollege Yalcin Gümer ? gespielt von Fahri Yardim ? stiehlt ihm fast die Show, so erfrischend heiter und anders ist der junge Polizist. Er ist der Kopf des ungleichen Teams, er unterstützt die Ermittlungen wirksam aus seinem Krankenhausbett heraus, leitet seinen Kollegen Tilnick mit Grips und Witz durch Hamburg, ist Kriminaltechniker und Partner in Personalunion. Man wünscht sich, dass das Versprechen des Senders, diesen Charakter in den nächsten Folgen mehr zur Geltung kommen zu lassen, umgesetzt wird.
Solide und konsequent hat Regisseur Christian Alvart den Film, die Stunts und die Ballereien inszeniert und fotografieren lassen. Stolz eigenlobte er die optische Qualität des Shots ? zu Recht zwar, aber wird hier nicht etwas als außergewöhnlich gepriesen, das am TATORT eigentlich Standard ist, ja Standard sein muss?
Nur an Eiern interessiert - Nicktils pubertierendes Töchterlein. Bild: © NDR/Marion von der Mehden |
Rabbatz!
Einigermaßen überflüssig ist in dem Film allerdings Nicktils Töchterlein ? das hat neben schlimmen Liebeskummer offenbar übertrieben große Sorge um den Zustand ihres morgendlichen Frühstückseis, das Pappa Tilnick natürlich vaterliebend regelmäßig versucht, ?richtig? zuzubereiten. Würde diese Generation mehr mit Loriot anfangen können ? das war einst ein feinsinniger deutscher Humorist ?, wüssten die längst, dass ?zu viele Eier gar nicht gesund sind? und das mit Nicktils Gefühl da was nicht stimmen kann, wenn es immer nur zufällig 5 Minuten gekocht hat... Das ganze mündet in einen müden Gag am Ende des Films; offenbar nur, um den ballernden Schweiger als liebenden Vater aufzubauen. Sei`s drum, es passt zu Schweiger: es macht immerhin ordentlich Rabbatz!
Fazit: Der Schweiger-Aufguss im TATORT-Mantel bleibt ein unterhaltsamer Film, mit Humor, gut besetzt und Hamburg ins rechte Licht rückend. Popcorn lässt sich währenddesssen auch gut verzehren. Tiefgang und Sozialkritik - vor langen Jahren mal eine wichtige Zutat für die Fadenkreuzkrimis - sowie ein einigermaßen anspruchsvolles Krimirätsel inklusive Überraschungen und Wendungen braucht allerdings niemand zu erwarten.
Francois Werner
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