Großartige Bilder
Nein, dieser TATORT ist alles andere als ein guter, alter Krimi und doch ist es ein sehr guter Kriminalfilm. Erstaunlich, wie es Drehbuchautor Martin Ambrosch und Regisseurin Sabine Derflinger gelungen ist, die ganze komplizierte Handlung einschließlich Hühnergrippe, chinesischen Geflügelfüßen, falschem Kaviar und Hühnerbrüsten ordentlich zusammenzuhalten und dabei doch hauptsächlich das anrührende Psychogramm zweier depressiver Mitteleuropäer im Wien des beginnenden 21. Jahrhunderts zu zeichnen.
In großartigen Bildern zeigt die Kamerafrau Christine Maier ein Wien, in dem man nicht einmal tot im Container gefunden werden möchte. Bedauerlich ist es sicherlich, dass auch dem Wiener Tatort sein Lokalkolorit weitgehend abhanden gekommen ist. In den guten, alten Zeiten, als noch gute, alte Krimis liefen, führte jeder zweite Fall die Ermittler auf den bunten Prater, wo sie Käskrainer aßen und später beim Heurigen wurde der Täter gefasst. Es waren die einzigen unsynchronisierten Filme aus dem Ausland, die überhaupt im deutschen Fernsehen gezeigt wurden und als Zuschauer musste man versuchen, aus den Gesten und Minen der Darsteller die Handlung abzulesen, denn aus den Dialogen wurde man einfach nicht schlau. ?Heast Gnahter geabs da Buffn aussi!?
Diese Zeiten sind vorbei. Wir sehen sogar den Prater in einer atemlosen Anfangssequenz als Kulisse vor dem Amoklauf eines Chinesen, der bald tot sein wird. In unserer Welt der weltweit enthemmten Wirtschaft gibt es kein Lokalkolorit mehr.
Jakob Hein