Aus welchem Grund sollte man sich Ihren neuen ?TATORT? anschauen?
Dieser ?TATORT? ist gesellschaftskritisch, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Er setzt sich mit einer sehr modernen Form des Voyeurismus auseinander, der heute seine Verlängerung im Internet findet.
Wie haben Sie dieses Thema für sich entdeckt?
Ich weiß von meinen Kindern, dass sich Fotos und Berichte von den Ereignissen ihres Lebens auf Internetforen wie Facebook oder Myspace finden müssen ? sonst hat die Party gar nicht stattgefunden. Für mich ist dies ein wichtiger neuer Aspekt des Voyeurismus, daher bin ich sozusagen mitschuldig daran, dass wir diese Tendenz im neuen ?TATORT? aufgreifen und thematisieren.
Was ist gegen Partyfotos im Internet zu sagen?
Ich will die modernen Internetangebote nicht pauschal verteufeln. Einigen Formen ihrer Nutzung stehe ich aber kritisch gegenüber. Ich finde es bedauerlich, wenn Jugendliche sich bei ihren Vergnügungen weniger auf das eigentliche Feiern mit ihren Freunden konzentrieren als auf die spätere Auswertung dieser Feier am Computerbildschirm oder auf dem Handy. Jugendliche zeichnen auf, um Ereignisse später nachzuerleben und zu bewerten. So wie die Paparazzi mit ihren indiskreten Fotos von Prominenten den Stoff für den öffentlichen Klatsch liefern, so entsteht auf den Internetforen eine Art von privater Paparazzi-Kultur, bei der die Party-Fotos im Netz den Gossip, den Klatsch innerhalb der Freundesclique anheizen.
Ihr ?TATORT? zeigt die möglichen Gefahren des sogenannten Web 2.0 allerdings an einem weit drastischeren Beispiel ? Ja. Richtig schlimm und bedenklich wird der Voyeurismus im Netz, wenn Unschuldige wie zum Beispiel Opfer von Verkehrsunfällen in ihrem Schmerz und Leid in schaurigen Unfallvideos im Internet bloßgestellt werden. Genau darauf zielt unser ?TATORT? ?
... in dem offenbar ein Serienkiller sein Unwesen treibt. Während die Braunschweiger Polizei im Dunkeln tappt, entdecken Sie als Charlotte Lindholm schnell erste Spuren. Ist Frau Lindholm diesmal besonders schlau, schnell und schlagfertig?
Das klingt fast, als wäre meine Kommissarin die allmächtige Superfrau. Ein ?TATORT? ist zwar eine Heldengeschichte, aber eine sehr irdische. Zumal sich Charlotte Lindholm diesmal ganz gehörig abarbeiten muss, bevor die Lösung des Falles in Sicht kommt. Die ?TATORT?-Zuschauer wissen, dass zu Beginn meist jemand ums Leben kommt. Sie wissen ebenso sicher, dass Kommissarin Lindholm auch diesen Fall nach 90 Minuten gelöst haben wird. Doch vorher bekommt sie diesmal mächtig Gegenwind. Zum einen muss sie sich bei ihren überheblichen Kollegen vor Ort behaupten, zum anderen muss sie konsequent weiterermitteln, auch wenn die Kripo vor Ort glaubt, den Schuldigen schon gefunden zu haben.
LKA-Chef Bitomsky schickt Lindholm nach Braunschweig, weil ?eine Frau? benötigt werde. Welche weibliche Fähigkeit ist denn hier gefordert?
Die Gefahr liegt in der Tat darin, dass man als einzige Frau gegen eine Männerriege hysterisch und kreischig wird, dass man zurückbrüllt und sich auf das aggressive Machtspiel der Herren einlässt. Wie also definiert man sich hier als Frau? Ich fand es spannend, auf diese geballte Ladung Testosteron mit einer noch größeren Sachlichkeit als sonst zu reagieren und mich zu weigern, mich auf deren Niveau herabzubegeben.
Gegenüber den Braunschweiger Besserwissern glänzen Sie mit lässiger Schlagfertigkeit ?