Raacke: Ach, ich glaube, die Sehnsucht nach Zweisamkeit steckt in uns allen. Irgendwann findet man halt wieder die Richtige. Janine arbeitet bei einer großen Verleihfirma, ist also keine Schauspielerin. Mir ist es durchaus wichtig, dass ich mich privat auch mit Leuten umgebe, die nicht direkt vom Fach sind. Ich habe heute noch alte Freunde aus Hanau, die jetzt, wie ich, in München leben, mit denen treffe ich mich regelmäßig zum Männerabend.
teleschau: Sie sind gebürtiger Hanauer, studierten in New York, leben in München und gehen seit zehn Jahren als Berliner "Tatort"-Kommissar durch. Was mögen Sie an Berlin?
Raacke: Sehen Sie selbst: Berlin sieht toll aus. Und es sieht scheiße aus. Berlin ist nicht umsonst die Hauptlocation für Filme heutzutage. Die einzige gefühlte Metropole Deutschlands. Hier gibt es einen Künstler wie Peter Fox, der starke Songs über seine Stadt schreibt, so etwas kann man sich in München doch gar nicht vorstellen. Wie peinlich wäre so etwas dort geworden, ganz pathetisch. Oder höchstens so was wie "Skandal im Sperrbezirk" ...
teleschau: Sie meinen den Fox-Song "Schwarz zu blau"?
Raacke: Ja, der läuft jetzt auch im neuen "Tatort", habe ich selber ausgesucht: "Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein, dreckig und grau, du kannst so schön schrecklich sein, deine Nächte fressen mich auf ..." Starker Text, oder? Das fasst den schmutzigen, rotzigen Charme von Berlin wunderbar in Worte. Und über das gemütliche, aufgeräumte, museale München könnte man so was nun wirklich nicht singen.
teleschau: Warum ziehen Sie eigentlich nicht hierher?
Raacke: Weil dann das viele Reisen wegfallen würde. Wäre doch schade. So kann ich München und Berlin genießen, ich fühle mich sehr wohl in diesem Kontrast.
teleschau: Kennen Sie beide Städte aus der U-Bahn-Perspektive? Immerhin findet der neue "Tatort" zum guten Teil im Untergrund statt.
Raacke: Ja. Es ist die beste Art, eine Stadt und ihre Menschen kennenzulernen. Den Unterschied merkt man sofort. In der Berliner U-Bahn stoßen sie nun mal zwangsläufig auf das Krasse, etwas Andersartige, Asslige. Ein ziemlich hartes Pflaster, wenngleich noch nicht so hart wie New York.
teleschau: Sie fahren wirklich noch viel U-Bahn? Als markanter Fernsehstar weden Sie doch sicher ständig erkannt ...
Raacke: Naja. In München sitze ich schon lieber auf meinem Fahrrad, ist halt 'ne klassische Fahrradstadt. Dass ich in der U-Bahn erkannt werde, passiert nicht wirklich oft. Die Leute vermuten ja nicht, dass jemand, den sie aus dem Fernsehen kennen, mit der U-Bahn fährt. Außerdem schütze ich mich manchmal mit einem Buch oder der Zeitung in der Hand. Wenn mich doch jemand erkennt und sich freut, dann ist das doch auch eine sympathische Begegnung: eine Art verspäteter Applaus für einen Fernsehschauspieler.
teleschau: In München ist so ein "Tatort"-Kommissar gewissermaßen als Kulturgut assimiliert. Haben Sie das Gefühl, dass das auch in Berlin so ist?
Raacke: Nein, ich glaube, hier geht man schon noch etwas cooler mit uns Schauspielern um. Hier sagt der Taxifahrer höchstens mal am Ende einer Fahrt: "Und, alles klar, Herr Kommissar?" Mehr passiert eigentlich nicht. Die meisten Reaktionen in Berlin bekomme ich von Touristen aus anderen Regionen Deutschlands. Da taucht dann schon mal eine Reisegruppe aus Wuppertal mit Autogrammzetteln bewaffnet auf. Klar ist das für die ein bisschen aufregend: Sie sind in Berlin - und dann entdecken die auch noch den zu Berlin gehörenden Fernsehkommissar!
teleschau: Wäre New York eigentlich noch einmal eine Option?
Raacke: Ja. Amerika generell ist das Land meiner Sehnsüchte, das Land, in dem ich meine ersten erwachsenen Jahre verbrachte, aus dem die Filme und die Musik herkommen, die ich liebe. Und es ist das Land, in dem meine Mutter und mein Bruder leben. Amerika ist immer noch ein Ziel! Aber ich möchte auch Asien kennenlernen und Australien sehen. Das Reisen steht künftig bei mir ganz oben.
teleschau: Berlin ist die wichtigste Stadt Deutschlands. Ist der Berliner "Tatort" der wichtigste "Tatort"?