Das Gespenst
Die Wege der Frauen
Beide sind sie im gleichen kleinen Ort groß geworden. Sie waren Freundinnen. Eine klaute mal Schokoriegel, die andere hat's vertuscht. Eine wohl behütete Kindheit jeweils. Doch irgendwann verloren sie sich aus den Augen und gingen ihre eigenen Wege. Sehr unterschiedliche Wege.
Auch wenn der neue Niedersachsen-TATORT nicht wirklich eine Antwort auf die Frage gibt, was zu solch konträren Entwicklungen führen kann, so beschreibt er doch auf eindringliche Weise den Kampf zweier Frauen um ihre Definition von Gerechtigkeit.
© NDR/Christine Schröder |
Die eine Frau ist Charlotte Lindholm, Kommissarin beim LKA. "Das Gespenst" ist Maria Furtwänglers 14. Auftritt als TATORT-Ermittlerin. Ihr gegenüber steht Manu Seehausen. Sie sehen sich ähnlich und haben ähnliche Biografien - bis zu einem gewissen Punkt. Da ging Manu für eine Menschenrechtsorganisation nach Afrika und Charlotte Lindholm zur Polizei.
Falschparkerin erschießt einen Polizisten
Nun, viele Jahre später, erkennt die Polizistin auf einem Bild ihre alte Freundin wieder. Sie sitzt am Steuer eines Wagens, der im Halteverbot vor dem Hannoveraner Flughafen steht. In der Eröffnungssequenz sieht der Zuschauer, was dort geschieht. Manu wird von einem jungen Polizisten kontrolliert. Parallel dazu landet eine Delegation aus Afrika. Als sich der Kontrolleur nicht abwimmeln lässt und er Meldung machen will, fallen Schüsse. Der Mann sinkt tot zu Boden, Manu ergreift die Flucht. Als Charlotte Lindholm zum Tatort kommt, muss sie feststellen, dass die Aufnahmen der Überwachungskameras gelöscht wurden.
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Der Verfassungsschutz übernimmt den Fall
Der Kommissarin gelingt es schon bald, ihre alte Freundin ausfindig zu machen, doch die verweigert jede Aussage. Der Verfassungsschutz schaltet sich in Person des schmierigen Beamten Ritter ein und übernimmt den Fall. Es ist ja bekannt, dass sich TATORT-Kommissare solcherlei Eingriffe in die Kompetenzen nicht bieten lassen. Und so ermittelt Charlotte Lindholm unbeirrt weiter.
Der Film wird zum Politthriller
Die Kommissarin wird in diesem Film auch ihre privaten Verhältnisse ordnen. Jedoch liegt der Schwerpunkt diesmal eindeutig auf dem Kriminalfall. Autor Stefan Dähnert hat eine Menge in diesen Krimi gepackt, der mit der Zeit immer mehr zum Politthriller wird: Terrorismus, Verfassungsschutz, ein grausamer Diktator aus Afrika, der in Deutschland operiert werden soll. Doch Dähnert hält die Fäden in der Hand, führt den Zuschauer auf packende Weise durch eine spannende Handlung, die reich an Höhepunkten ist. Auffällig: Selten hat man einen TATORT zuletzt so intelligent, so klug geschnitten gesehen. Cutter Fritz Busse webt auf geschickte Weise parallele Ereignisse ineinander und sorgt somit für hohes Tempo.
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Mit Pistole in der Badewanne
Irgendwann werden sich die beiden Freundinnen von einst gar in der Badewanne gegenübersitzen, eine von ihnen mit einer Waffe in der Hand. Ein starker Moment, der das Duell der beiden auf ein Wortgerangel um die Definition von Recht und Gerechtigkeit reduziert. Regisseur Dror Zahavi: "Es gibt keinen Ort, der besser geeignet wäre, die Nacktheit, die Naivität, die Reinheit dieser Beziehung darzustellen."
"Das Gespenst" gehört aufgrund einer klugen Mixtur aus Privatem und großer politischer Dimension inhaltlich zu den mitreißendsten Fällen der erfolgsverwöhnten Hannoveraner Kommissarin, deren zuletzt bisweilen überstrapaziertes Privatleben als junge Mutter und Single diesmal nur am Rande eine Rolle spielt. Und doch werden ihr die Ereignisse dieses Falls am Ende dabei helfen, ein bisschen Ordnung in das Leben eines "lonesome cowgirls" zu bringen.
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