Tödliche Tarnung
Katharsis im Kuschelteam
Dass Thorsten Lannert da noch etwas mit sich aus der Hamburger Vergangenheit herumschleppt, wurde in den ersten beiden Folgen des neuen Stuttgarter TATORT-Teams ja unmissverständlich angedeutet, und dass es eher keine Bagatelle sein würde, war ebenfalls klar. Dennoch ließ man die Neuen erst einmal machen, und das ja bei Publikum und Kritik recht erfolgreich.
Nun aber, in ihrem dritten Fall, kommt, was kommen musste: Lannert wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Natürlich, ganz standesgemäß, durch einen Mordfall. Am Stuttgarter Flughafen wird ein Zöllner hingerichtet. Aus einer gewissen Mitteilungslust heraus hat der Täter sozusagen eine kleine Signatur hinterlassen, ein tag, wie man es sonst eher von Graffitti-Künstlern kennt: Er schoss der Leiche nochmals eigens durch die Hand, damit auch klar ist, wer dahinter steckt. Eine Warnung also.
Lannert und Bootz haben in de Mans Firma Waffenlieferungen gefunden, Bild: SWR/ Stephanie Schweigert |
Lannert weiß aus seinen Hamburger Undercover-Tagen, wer solche Botschaften auslegt, schweigt aber erstaunlich lange darüber und lässt so zunächst seinen Kollegen Bootz etwas ziellos herumermitteln. Wie wir später sehen werden, hat Lannert persönliche Gründe dafür, dass er mit der Sprache nicht so recht rausrücken will.
Verspäteter Pilotfilm
Mit einiger Berechtigung könnte man sagen, dass der SWR mit "Tödliche Tarnung" den Pilotfilm zu seinem neuen Ermittlerteam mit fast exakt einjähriger Verspätung nachreicht. Jedenfalls konzentriert sich das Geschehen ganz auf Lannert, und dessen Darsteller Richy Müller darf so ausdauernd schmerzerfüllt, unergründlich und melancholisch in die Ferne bzw. die Vergangenheit gucken, wie er mag. Er begegnet im Lauf dieses Falles seinen alten Traumata, unter anderem in der Figur des Edel-Oberkriminellen Victor de Mann, auf den er schon erfolglos in Hamburg angesetzt war. Die beiden haben noch Rechnungen miteinander offen und fechten ihren Kampf höflich im Ton, aber eher ruppig im Vorgehen nun also im Schwäbischen gegeneinander aus.
Babette Kerner hat nach Bootz's Meinung ihrem ermordeten Kollegen allzu sehr vertraut, Bild: SWR/ Stephanie Schweigert |
Eine sehr klassische Krimi-Konstruktion also, und de Mann gibt auch durchaus den charismatischen, vornehmen Gegenspieler, der ein bisschen an seinen TATORT-Urahn Sievers erinnert, gegen den Kressin sich in den 70ern ergebnislos abmühte.
Frei von sinnlosen Nebenhandlungen
Zwar ist der Film insgesamt angenehm frei von sinnlosen Nebenhandlungen und Hunden, trotzdem verheddert er sich etwas in den anfangs fast aufreizend gemächlichen Ermittlungen. So wird die Duellsituation letztlich nicht voll ausgereizt und bleibt dadurch etwas blass, ebenso wie das eher am Rande mitgenommene Thema Waffenschmuggel, das aufgrund der beiläufigen Abhandlung hier eher dazu angetan ist, privates humanitäres Engagement zu diskreditieren. Der Fokus liegt klar auf der Figur Lannert, seiner dunklen Vergangenheit und im Kontrast dazu seiner neuen Kuschel-Nachbarin, die sich immer noch nicht hat abschrecken lassen, und seinem neuen Kuschel-Team, denn bei der Stuttgarter Kripo benimmt man sich eher wie in einer Studenten-WG.
Richy Müller als Thorsten Lannert, Bild: SWR/ Stephanie Schweigert |
Ein angenehmer Kontrast
Ein ganz angenehmer Kontrast übrigens zu den sonst gern bemühten Rivalitäten zwischen Staatsanwaltschaft, Ermittlern und Gerichtsmedizin, hier jedenfalls haben sich alle ganz doll lieb, selbst der verschrobene Quotenschwabe Daniel Vogt, der ein bisschen bienzleeske Humorversuche einbringen muss (die sparsamen Schwaben!) ist letztlich ein ganz Netter, und der gelige Sebastian Bootz gibt den Männerfreund, mit dem man über alles reden kann und der seinem Kumpel letztlich hilft, die Dämonen der Vergangenheit in einem kathartischen Akt niederzuringen. Das ist dann fast schon ein bisschen arg dick aufgetragen, zumal man dem Mann mit dem Grünschnabel-Look soviel Einfühlungsvermögen eigentlich gar nicht zutraut, aber was soll's.
Insgesamt natürlich ein besonderer Film für die Figurenzeichnung der neuen Stuttgarter, der deshalb eine herausragende Position innerhalb der aktuellen Reihe mit diesen Ermittlern behalten wird. Schade nur, dass der Fall selbst letztlich nicht restlos überzeugen kann - unterhaltsam ist er aber allemal.
Heiko Werning
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