Dass die Dreharbeiten für diesen TATORT an unterschiedlichen Tagen am Frankfurter Flughafen stattfanden, kann sich der Zuschauer denken. Dreharbeiten sind in der Regel zeitaufwändig und an einem Drehtag werden in aller Regel kaum mehr als wenige Minuten gedreht.
Denn der Aufbau des Sets dauert lange; bis es adäqaut vorbereitet und ausgeleuchtet ist, die Proben stattgefunden haben und alles zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist, vergehen viel Stunden. Zudem sind Szenen ja nicht sofort im Kasten und müssen mehrfach wiederholt werden.
Szene auf dem Frankfurter Flughafen. Bild: © HR/DEGETO/Bettina Müller |
Flugzeugbewegungen verraten unterschiedliche Drehtage
Dass auch Szenen dieses TATORTs in solchen großen zeitlichen Abständen gedreht wurden, belegen sehr eindrucksvoll die Flugzeugbewegungen, die im Hintergrund einiger Szenen zu verfolgen sind. Während man in anderen TATORTen die zeitlichen Zusammenhänge kaum rekonstruieren kann, ist dies in dem Flughafen-TATORT dagegen sehr gut möglich. Hilfreich dabei ist die Tatsache, dass Flugzeuge ihre Starts und Landungen grundsätzlich nach der Windrichtung wählen (müssen). Dies heisst zugleich, dass Starts und Landungen an einem Flughafen immer in eine Richtung erfolgen und sich auch so keine gefährlichen Situationen im Flugraum ergeben; salopp gesagt: ein Flugzeug kommt in Flughafennähe einem anderen nie entgegen oder selten besonders nahe.
Das aber genau suggeriert der TATORT "Der tote Chinese" in einer Sequenz. Schaut man genau hin, bemerkt man während einer Szene, in der Charlotte aus Terminal 1 mit ihrem Handy den Kollegen Fritz Dellwo anruft, einen im Hintergrund Richtung Osten auf Bahn 07L startenden Airbus A340-300 der Lufthansa. Diese Langstreckenflugzeuge werden übrigens von bösen Zungen auch als "Senkblei" bezeichnet, weil sie eine extrem lausige Steigrate haben und nur sehr langsam an Höhe gewinnen - so auch dieser.
Flugzeuge hätten sich gefährlich nahe kommen müssen
Fritz Dellwo befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Terminal 2, also östlich von Charlotte. Der Zuschauer müsste den startenden Airbus A340-300 also etwa zeitgleich bzw um wenige Sekunden versetzt im Hintergrund von Fritz vorbeifliegen sehen. Doch stattdessen: Als der Frankfurter Kommissar den Anruf entgegennimmt, landet eine aus Kanada kommende Boeing 767 aus Richtung Westen auf der Bahn 25R - also aus der Richtung, in welche der Airbus gerade startete. Das startende Lufthansa-Flugzeug und die landende Air Canada-Maschine wären sich somit in den kritischsten Phasen ihres Fluges - dem Start und der Landung - gefährlich nahe gekommen, hätten eventuell sogar kollidieren müssen.
Da dies unter realen Bedingungen kaum möglich ist, weil u.a. eben die Flugrichtung nicht ständig gewechselt wird und Starts und Landungen auf der gleichen Bahn nie simultan stattfinden (können), müssen die Szenen an unterschiedlichen Tagen oder zumindest in großem zeitlichen Abstand stattgefunden haben: die Windrichtung ändert sich an einem Tag nicht so häufig, dass im Minutentakt An- und Abflüge aus unterschiedlichen Richtungen koordiniert würden.
Auch erfolgt ein Flugzeug-Start nach einem Start eines vorhergehenden Flugzeugs immer in gebührendem zeitlichem und räumlichen Abstand. In einer Szene aus dem TATORT, die wieder in der Flughafen-Bar stattfindet, sieht man schon wenige Sekunden nachdem der Airbus A340-300 den Boden verlassen hat, gleich einen Jumbo "hinterher" fliegen: schlicht unmöglich - und viel zu gefährlich.
So würde ein Langstreckenflieger nach Shanghai aussehen - zumindest bei Lufthansa. Im Film war die Maschine weitaus kleiner und enger bestuhlt. Bild: Francois Werner |
Mit einem Kurzstreckenjet nach Shanghai
Eine einzige Szene des TATORTs spielt in einem Flugzeug und zeigt zwei Passagiere, die nach Shanghai fliegen wollen. Auch hier hat sich das Film-Team nicht an die Realität gehalten, vermutlich, weil es gar nicht ging. Denn die Szene in der 80. Minute zeigt eindeutig einen Jet vom Typ Embraer, der eng bestuhlt ist und zwei Sitzreihen ohne Mittelgang hat, eben einen Kurz- bzw. Mittelstreckenjet. Die werden nur auf europäischen Kurzstrecken eingesetzt, nicht jedoch nach Shanghai. Für einen solchen Flug werden in jedem Fall solche Langstreckenflieger ab Frankfurt eingesetzt, die größer sind, nicht so eng bestuhlt und auch einen Mittelgang mit 3, maximal 4 Sitzen haben, de facto also Airbus A330 (China Eastern Airlines) oder Boeing 747 (Lufthansa und Air China).
Auch der Flugplan wurde geändert
Für den Plot des TATORTs war es maßgeblich, dass durch den entdeckten Mord sofort die Polizei im Flughafen-Hotel auftauchte. Da mehr als 600 Chinesen das Hotel bewohnten und das Polizeiaufgebot die schreckhaften Asiaten aufgescheucht hatte, gab das Drehbuch vor, dass 3 Chinesen das Hotel fluchtartig verlassen haben und zurück nach Shanghai flogen - und dies am frühen Morgen, wo es keine abfliegenden Maschinen Richtung Asien gibt. Diese starten frühestens gegen 13 Uhr. Der Flug nach Shangai startet zudem nicht - wie im Film - um 8.45 Uhr als LH 129, sondern wenn schon, dann als LH728 um 17.45 Uhr. Hätten sich die Autoren hier an die realen Flugzeiten gehalten, hätte dies große, unüberwindbare Brüche in der Logik der Geschichte für die Konstruktion der Geschichte bedeutet.
American Airlines setzt ab Frankfurt ihre "Triple 7" ein - nur fliegt die nicht nach New York - wie in diesem TATORT. Bild: Francois Werner |
American Airlines fliegt von Frankfurt gar nicht nach New York
Die Autoren zeigen am Morgen nicht nur, wie Fritz Dellwo die nach Shanghai abgeflogenen Chinesen vergeblich zu stoppen versucht, sondern auch, wie zum einen der am vorhergehenden Abend mit dem toten Chinesen in der Hotelbar versackten Russen, der zum Abfluggate nach Berlin-Tegel unterwegs ist und zum anderen, wie der sich fortan als Tony Wang ausgebende Chinese versucht, sich für einen American Airlines-Flug nach New York einchecken will.
Abgesehen davon, dass American Airlines von Frankfurt aus gar nicht nach New York fliegt, checkt er am Terminal 2 ein - richtig wäre Terminal 1 gewesen. Überhaupt wurde kaum am Terminal 1 gedreht, sondern überwiegend am Terminal 2. Nicht nur der Check-in für American Airlines wird ins Terminal 2 gelegt, auch das Abfluggate für den Flug nach Berlin-Tegel verlegt das Film-Team flugs nach Terminal 2. Dabei starten alle Lufthansa-Flüge in Frankfurt grundsätzlich von Terminal 1.
Beim Sky-Train wird gerne getrickst
Und obwohl sich später der für den toten Tony Wang ausgebende Chinese mit dem Skytrain zum Terminal 1 bewegt - und man auch Flugzeuge und Terminalgebäude von Terminal 1 sieht, unterlegt man die filmische Ankunft mit der Ansage für ein anderes Terminal, nämlich Terminal 2: denn beim Aussteigen aus dem Sky-Train hat das Film-Team geschickt geschnitten und zeigt den Chinesen in der Sky-Train-Halle des Terminals 2 beim Aussteigen. Das zu allem Überfluss auch auf der falschen, der "Abfahrt-Seite" Richtung Terminal 1; nicht auf der Seite, auf der er eigentlich hätte ankommen müssen, der "Ankunfts-Seite". Nachvollziehbar bleibt, warum das Team dies so machte: die Szene hätte den kleinen Chinesen in dem großen Flughafen optisch kaum so eindrucksvoll einfangen können.
Unterhalb des Schriftzugs des Flughafens befindet sich die Fraport-Mitarbeiter-Kantine, die für den TATORT zur Hotel-Bar umfunktioniert wurde. Bild: Francois Werner |
Die Kantine wird zur Hotel-Bar umfunktioniert
Auch andere Orte des Flughafens werden umfunktioniert. So ist die Hotel-Bar mehrfach Schauplatz von Ermittlungen. Doch dort, wo sie im Film sein soll, ist in Wirklichkeit die Fraport-Kantine für die Mitarbeiter. Nur von ihr sieht man so wunderbar auf das Vorfeld der Abfluggates A1 bis A25 sowie B10 bis B26 mit zahlreichen Lufthansa-Flugzeugen. Für diese Szenen wurde die Kantine nach dem dortigen Tagesbetrieb nach Dienstschluss schnell für den TATORT in eine exquisite Hotel-Bar umfunktioniert.
Intensität des Tageslichts schwankt deutlich
Dass deshalb auch Szenen, die im Film morgens spielen, nicht morgens gedreht werden konnten, zeigt die Szene in der 16. Minute überdeutlich. Denn die Sonne steht zu dem Zeitpunkt im Westen, weit hinter dem sichtbaren Gebäude, in dem Lufthansa-Vorstand Wolfgang Mayrhuber residiert und das sich hinter den Abfluggates A10 bis A24 befindet - eben im Westen des Flughafens. Bekanntlich geht die Sonne aber nicht im Westen auf bzw. nicht morgens schon unter.
Dies führt mehrfach dazu, dass sich in dem TATORT, dessen Ermittlungen sich kaum mehr als über einen Zeitraum von 24 Stunden erstrecken, das Tageslicht im Hintergrund ständig ändert und von "dunkel" nach "hell" wechselt, teilweise Szenen sehr dunkel erscheinen, weil das schimmernde Licht der untergehenden Sonne schlicht blendet. Nicht nur in der Szene mit Charlotte in der Hotel-Bar; auch in der Szene mit Fritz Dellwo und dem Flughafen-Sicherheitsberater im SkyTrain, fallen diese "Tagesschwankungen" auf, die den knappen "Dreh-Slots", um mal im Airliner-Jargon zu bleiben, am Flughafen geschuldet sein dürften.
Trotz allem: nur wenig Flughafen-Atmosphäre
Flugzeug-Fans und Luftfahrt-Enthusiasten kommen bei diesem TATORT naturgemäß nicht auf ihre Kosten. Obwohl der TATORT größtenteils in den Terminalgebäuden und dem "zusammengesetzten" Flughafen-Hotel spielt, sieht man wenig vom Flughafen oder dem Flugbetrieb, der hier in Frankfurt ansehnlich und vielfältig ist. Flughafen-Atmosphäre wird eher durch ständige akustische Untermalungen von überfliegenden, lauten Flugzeuggeräuschen suggeriert. Die aber dürften in dem real etwa 1-2 km entfernten Flugahfenhotels kaum noch so laut sein, wie im Film dargestellt.
Auch Flugzeuge sind in dem Krimi nur Randfiguren. Einige Flieger sieht man starten und auch landen; die längste Startszene ist die eines Airbus A321 der Lufthansa, der sich geschmeidig von der Bahn 25R Richtung Westen erhebt - die Szene dient als Brücke zwischen zwei Sequenzen des Krimis. Und nach der ersten Filmminute bekommt der Zuschauer einen nächtlichen Überblick auf das Vorfeldgelände von Terminal 1. Hier reihen sich überwiegend Lufthansa-Airbusse Gate an Gate - ein Airbus A319 dockt gerade an Gate A11 an, ein Jumbo an Gate A25 beginnt den sogenannten Pushback.
Der Retro-Jet der Lufthansa bei seiner Ankunft auf dem Franfurter Flughafen. Bild: Francois Werner |
Retro-Jet der Lufthansa als Highlight für flugzeugbegeisterte TATORT-Fans
Das einzige Highlight für Flugzeug-Freaks dürte der nur sehr kurz an Gate A15 zu sehende "Retro-Jet" der Deutschen Lufthansa sein. Dieser Airbus A321-131 fliegt seit dem 1. April 2005 in den Farben der Lufthansa von 1955. Die deutsche Airline bemalte den Jet anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens in diesen Farben. Seither wird dieser Flieger mit der Sonderbemalung an allen europäischen und nordafrikanischen Lufthansa-Zielen gesichtet und von fanatischen Spottern regelmäßig und sehr gerne abgelichtet. Der sogenannte "Retro-Jet" ist - wie die meisten Flugzeuge der Lufthansa - nach einer Stadt, hier: der thüringischen Stadt Weimar, benannt. Die Registrierung des Flugzeugs lautet "D-AIRX" - in der Fliegersprache geläufiger als "Romeo X-Ray".
Der Airbus gehört - relativ gesehen - noch zu den jüngeren Exemplaren dieser Airbus-Teilflotte bei Lufthansa. Dennoch wird kolportiert, dass Passagiere sich mehrfach beim Anblick der "Retrofarben" geweigert haben sollen, die Maschine zu betreten, weil sie ein altes, klappriges Flugzeug aus den 50er Jahren vermutet haben, das den technischen Anforderungen für den Flugbetrieb nicht gewachsen sei. Dabei handelt es sich bei diesem Flugzeug um eines der modernsten Flugzeuge überhaupt.
Francois Werner