"Wenn ich mit meiner Arbeit andere Menschen inspirieren kann, schließt sich für mich ein Kreis im Sinne des Nehmens und Gebens"
Gespräch mit Mehmet Kurtulus
Der neue TATORT-Kommissar aus Hamburg: Mehmet Kurtulus als Cenk Batu, Bild: NDR/Georges Pauly |
Nicht nur der Hauptdarsteller des Hamburger TATORTs ist
neu, das gesamte Konzept hat sich verändert. Sie haben an
der neuen Gesamtkonzeption mitgefeilt. Was lag Ihnen
dabei besonders am Herzen?
Ein Wechsel ist immer ein Risiko, aber auch eine Chance,
Sehgewohnheiten zu brechen und neue Wege zu gehen.
Der NDR und Studio Hamburg haben den Mut dazu bewiesen,
neue und vor allem für dieses über Jahrzehnte
etablierte Format ungewöhnliche Bilder zu schaffen und
somit den TATORT künstlerisch, politisch und ästhetisch
weiterzuentwickeln.
Cenk Batu ist eine starke Figur; er strahlt Dynamik und
Jugendlichkeit aus. Es hat so etwas wie ein Generationswechsel
stattgefunden. Was zeichnet Batu in Ihren Augen
darüber hinaus charakterlich besonders aus?
Cenk Batu ist das Chamäleon. Sein Talent, mit seinem
?Arbeitsumfeld? vollkommen zu verschmelzen, ist seine
größte Qualität. In der Praxis, als verdeckter Ermittler, ist
diese Form der Mimikry sowohl Quelle von Informationen
als auch Lebensversicherung.
Über die Arbeit von verdeckten Ermittlern erfährt man
sonst naturgemäß eher wenig. Wie haben Sie sich dieser
neuen Aufgabe genähert? Gab es eine besondere Art
der Vorbereitung?
Die Vorbereitung auf einen neuen Charakter ist immer
eine neue Herausforderung. Bei Cenk Batu war einer der
elementaren Charakterzüge die Konzentration auf die
Wahrnehmung von Details im Alltag. Geschult für diese
Aufgabe wurde ich durch die Hilfe von Stephan Schlentrich,
der mich an einem speziellen Polizeiprogramm teilnehmen
ließ. Zu meinen Themen zählten KSK, polizeiliche
Topermittlung, Gerichtsmedizin und Geheimdienste.
Sie spielen hier eine Figur, die in ihrer häufig gefährlichen
Arbeit darauf angewiesen ist, nahtlos in fiktive Rollen
schlüpfen zu können. Batu spielt ? pointiert formuliert ?
um sein Leben. Flößt Ihnen das als Schauspieler einen
besonderen Respekt für diese Rolle ein?
Jeder Interpretation einer neuen Rolle gebührt der gleiche
Respekt. Es gibt da keine Differenzierung, denn all den
Figuren sollte eines zugrunde liegen: die Glaubwürdigkeit.
Das zeichnet diesen Beruf aus.
Gleichzeitig bieten genau diese Arbeitsumstände Batus
Ihnen die Gelegenheit, Ihre Wandlungsfähigkeit und
Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen. Eine Traumrolle?
Eher ein schlechtes Geschäft. Man spielt drei Rollen,
kriegt nur eine bezahlt. :)
Cenk Batu erlangt das Vertrauen zu Tuncay Nezrem, Bild: NDR/Georges Pauly |
Batu ist zwar weisungsgebunden, bei den Einsätzen aber
überwiegend auf sich gestellt. Kohnau, sein Vorgesetzter,
ist häufig sein einziger Draht zur ?normalen? Welt.
Besteht die Gefahr, dass Batu sich mal in einer dieser
falschen Identitäten verlieren könnte?
Diese Gefahr halte ich im Falle von Cenk Batu für ausgeschlossen,
da er sich mit Hilfe seiner falschen Identitäten
in kriminellen Kreisen bewegt. Eine Welt, die er bekämpft,
statt sie zu bewundern.
Peter Jordan gesteht in diesem Heft, dass Uwe Kohnau
manchmal ein bisschen neidisch auf Batu ist.
Wie sieht Ihrer Meinung nach umgekehrt das Verhältnis
von Batu zu diesem Vorgesetzten aus?
Uwe Kohnaus Qualitäten liegen in der Organisation und
Abwicklung der Fälle. Cenk Batu steht im Brennpunkt.
Er liebt das Risiko. Deswegen ergänzen sich die beiden so
gut in ihrer Arbeit.
Cenk Batu hat aufgrund seiner besonderen Arbeitssituation
wenig Gelegenheit, private Beziehungen zu pflegen.
Wie und wo findet er dennoch einen Ausgleich für diesen
aufreibenden Job?
Im ersten Stück findet Cenk Batu Rat und Ruhe in der
Beziehung zu seinem Vater. Ein gemeinsames Schachspiel
symbolisiert die Verbindung in seine Privatsphäre.
Als erster deutschtürkischer TATORT-Kommissar erfahren
Sie nicht nur viel Aufmerksamkeit vonseiten der Presse;
Sie werden auch für viele, vor allem jüngere, Deutschtürken
eine Vorbildfunktion einnehmen. Freut Sie das
oder belastet es eher?
Wenn ich mit meiner Arbeit andere Menschen inspirieren
kann, schließt sich für mich ein Kreis im Sinne des Nehmens
und Gebens. Ich habe auf meinem Weg auch genommen.
Meine Vorbilder waren u.a. Robert De Niro und Sir Peter
Ustinov, die mich zu dem inspiriert haben, was ich heute
vertrete.
Was verbindet Sie mit Hamburg?
Meine ersten Schritte in Deutschland habe ich sprichwörtlich
in Hamburg gemacht. Sowohl privat als auch beruflich.
Als meine Familie und ich 1974 in Deutschland mit dem
Flugzeug landeten, war das in Fuhlsbüttel. Meine erste
Hauptrolle in einem Kinofilm spielte ich in Altona.
Seit Ihrem Durchbruch mit ?Kurz und schmerzlos? vor mehr
als zehn Jahren sind Sie als Darsteller nicht nur in Deutschland,
sondern international gefragt. Wird neben dem TATORT
noch genügend Raum für große andere Projekte bleiben?
Es stehen 2009 zwei Kino-Premieren an. Die erste ist eine
internationale und die andere eine deutsche Kinoproduktion.
Auch für nächstes Jahr gibt es Gespräche mit verschiedenen
Produktionen. Der TATORT ist ein weiter Meilenstein
in meiner beruflichen Entfaltung. Dieser ?Ritterschlag?
mag für einige der Zenit sein, ich empfinde ihn schon im
Vorfeld als Katalysator.
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