Alles neu in Hamburg
Der gute, alte Fernsehkrimi hat einen neuen Star. Kinoschauspieler und Grimme-Preisträger Mehmet Kurtulus spielt den ersten türkischstämmigen TATORT-Ermittler Cenk Batu. Einen wie ihn gab es wirklich noch nicht.
Der neue Ermittler aus Hamburg: Cenk Batu, Bild: NDR/Georges Pauly |
"Der stärkste TV-Cop seit Götz George"
Batu ist alles: knallharter Cop oder eleganter Verführer, verschlossener Einzelgänger oder wortgewandter Charmeur, und auf jeden Fall ist er viel mehr Bond als Schimanski - die Wandlungsfähigkeit ist bei Batu Beruf und unabdingbare Voraussetzung zum Überleben: Der neue Kommissar ermittelt undercover. Mal mit Bomberjacke, mal im edlem Anzug ist er dabei ganz auf sich allein gestellt und in permanenter Lebensgefahr. Keine Frage, die Grenzen des 38 Jahre alten Kultformats wurden ausgereizt: "Wir gingen mit dem Dampfer TATORT so um, als handele es sich um ein Motorboot", sagt Mehmet Kurtulus, der stärkste TV-Cop seit Götz George.
Die erste Episode heißt "Auf der Sonnenseite", doch sommersonnnigleicht ist hier gar nichts. Es geht los in finsterster Nacht, mit einer Szene, die prompt die Grenzen eines Undercover-Cops offenlegt: Cenk Batu wird von einer kriminellen Organisation, bei der er sich vor Monaten eingeschleust hat, auf die Probe gestellt. Er soll einen vermeintlichen Verräter hinrichten. Er kann es nicht. Natürlich nicht. Seine Tarnung droht aufzufliegen ...
Cenk Batu bei seiner bevorstehenden Feuerprobe, Bild: NDR/Georges Pauly |
Spannung vom ersten Moment an
Vom ersten Moment an wird ein extrem hohes Maß an Spannung aufgebaut, und man ist sofort ganz dicht dran, an diesem Typen und seinem außergewöhnlichen Job. Geschickt werden im Folgenden Nähe und Niveau aufrechterhalten. Hohes Tempo, zwischendurch aber auch immer wieder melancholischere Momente, durchaus Heiteres, und selbst reizvolle Hamburger Stadtansichten werden eingestreut. Wer sich allerdings Konventionelles erhofft - etwa die obligatorische Leiche zu Beginn, einen Dialekt quasselnden Gerichtsmediziner, die typischen Szenen im Polizeipräsidium und die von Vorgänger Casstorff gewohnt tiefen Einblicke ins Privatleben eines Kommissars -, der sieht seine Erwartungen hier sicherlich enttäuscht. Auch die sonst üblichen Buddy-Spielchen finden im neuen Hamburger TATORT nicht statt: Obwohl Batus Chef Uwe Kohnau hin- und hergerissen ist zwischen Sorge und Verärgerung über seinen meist etwas ungestüm agierenden Undercover-Mann, bleibt der Fokus stets auf Batu gerichtet. Er ist die zentrale Figur. Der Star eben.
Uwe Kohnau vertraut Cenk Batu einen neuen Fall an, Bild: NDR/Georges Pauly |
Im Mittelpunkt des ersten Falles stehen ein türkischer Kleinkrimineller und seine deutsche Freundin, eine türkische Familie, ein türkischer Clanfürst, eine türkische Wohngegend... Das türkische Alltagsleben schillert inmitten der Hansestadt in all seinen herrlichen und hässlichen Facetten - alles sehr liebevoll und erstaunlich detailgenau gespielt und erzählt. Batu taucht ein, gewinnt Einblicke, schließt Freundschaften - und schwebt in akuter Lebensgefahr.
"Auf der Sonnenseite" verspricht sehr viel: Hier steht zwar noch TATORT drauf, aber inhaltlich ist der neue Krimi aus Hamburg schon eine ziemliche Revolution, die mit vielen TATORT-Sehgewohnheiten bricht. Alles neu in Hamburg, und das ist gut so.
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