"Nachhaltige Begegnung"
Die Entstehungsgeschichte des TATORTs "Brandmal" erläutert WDR-Fernsehspielchef Gebhard Henke.
Im Dezember 2004 wurden wir mit dem Kölner TATORT-Team
(nominiert für den Beitrag Odins Rache von Hannes Stöhr)
zur Verleihung des Civis?Preises (Europas Medienpreis für
Integration) nach Wien eingeladen.
Gebhard Henke ist TATORT-Koordinator und beim WDR für die Krimis verantwortlich. © WDR/Bettina Fürst-Fastré |
Am Rande der Preisverleihung lernten Klaus J. Behrendt und
ich Herrn Professor Rudolf Sarközi, Obmann des Kulturvereins
österreichischer Roma, kennen. Herr Sarközi erzählte uns aus
seinem bewegenden Leben, von seiner Geburt im KZ-Lackenbach,
seiner Jugend im Burgenland und von seinem Karrieresprung
vom Kraftfahrer der Stadt Wien bis zum erfolgreichen
SPÖ-Politiker im 19.Wiener Gemeindebezirk Döbling. Neben
vielen anderen Funktionen ist der Vorsitzende des Volksgruppenbeirates
der Roma auch Co-Initiator und Kurator der Romabeiträge
beim CIVIS.
Im Verlaufe des Abends erwies sich Herr Prof. Sarközi als großer
Fan unseres Kölner TATORTes, den er auf Grund der Protagonisten
und der oft gesellschaftspolitischen Ausrichtung der Fälle
sehr schätzt. Er fragte uns, warum wir noch nie das Thema der
Roma in einem Fall der Kölner Kommissare aufgegriffen hätten.
Die Begegnung mit Rudolf Sarközi beeindruckte Klaus J.
Behrendt und mich nachhaltig.
Nach Gesprächen mit der
Produzentin Sonja Goslicki und der verantwortlichen WDR-Redakteurin
Katja De Bock wussten wir, dass die Anregung von
Herrn Sarközi nicht nur bei uns, sondern auch im TATORT-Team
auf fruchtbaren Boden fallen würde. Es wurde der renommierte
und mehrfach ausgezeichnete Autor Karl-Heinz Käfer
(»Mein Vater«, »Guter Junge«) engagiert, der u. a. für sein
Drehbuch des Kölner Tatortes »Minenspiel« mit dem Marler
Fernsehpreis für Menschenrechte 2007 von Amnesty International
bedacht wurde.
Karl-Heinz Käfers Recherche ergab, dass seit gut einem Jahrzehnt
hunderte Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Köln
geflohen sind. Viele dieser Familien, die seit Jahrhunderten im
Kosovo sesshaft waren, sind aus ihren Wohnbezirken vertrieben
worden und die alte Roma-Kultur wurde vernichtet. In Köln
leben viele Menschen seit vielen Jahren teilweise mit jeweils
für drei Monate ausgestellten Duldungen. Sie müssen jeden
Tag damit rechnen, kurzfristig abgeschoben zu werden.
Wahrhaft keine gute Grundlage für eine ins Auge gefasste
Integration, die gelingen sollte!?
Wir haben uns für eine Geschichte entschieden, die von einem
deutschen Roma handelt, dessen Familie seit den 60er Jahren
in Deutschland lebt und von einem pubertierenden,rebellischen
Mädchen aus dem Kosovo, das alles dafür tun würde, um in
Deutschland zu bleiben.
Zu dem sorgfältig recherchierten Buch von Karl-Heinz Käfer
kam die Regisseurin Maris Pfeiffer (TATORT Verdammt) hinzu,
die »Brandmal« behutsam inszeniert und auf überzeugende
Art und Weise unter Beweis gestellt hat, wie man in einem
spannenden Krimi real existierende Vorurteile aufgreifen kann
und sich dennoch sehr differenziert und mit der für die Kölner
Protagonisten charakteristischen Menschlichkeit mit diesem
Thema auseinander setzen kann.
Gebhard Henke
Leiter WDR-Film und Serie und ARD TATORT-Koordinator
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