"Wenn Borowski Witterung aufgenommen
hat, dann ist sie so stark, dass er mit Ellenbogen
durchbrettert"
Interview mit Axel Milberg anlässlich des TATORTs "Borowski und die einsamen Herzen"
Dieser TATORT wurde in einer sehr komödiantischen
Form erzählt ...
Axel Milberg, Bild: NDR/M.v.d. Mehden |
Wir nehmen uns die Freiheit, Geschichten mit einer gewissen
Eigendynamik zu erzählen ? man muss ja nicht einmal
grausam sein und dann immer grausam. Wenn das Thema
es ermöglicht, kann ein Krimi durchaus humorvolle Aspekte
haben ? etwa durch die tagträumerischen Szenen in
diesem Film. Ich finde es ganz wunderbar, wenn wir die
Vielschichtigkeit der Hauptfigur Borowski auch zeigen.
War es Ihr persönlicher Wunsch, die Figur einmal
so anzulegen?
Nein, die Story lag ja schon vor. Wir wählen nur die Entwürfe
aus, die wir zu Drehbüchern weiterentwickeln lassen.
Klar hatten wir in diesem Fall auch großen Spaß an der
Geschichte ? es gibt ja nicht viele Kriminalfälle, auf denen
man Kapriolen drehen kann. Das ist wirklich gute Unterhaltung,
die hat für mich auch immer etwas Kostbares.
Wandern Sie gerne zwischen ihren dramatischen und
komödiantischen Rollen?
Das ist eben der große Genuss ? diese Unterschiedlichkeit
und den Reichtum von dem, was Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit
sein können, auch spielen zu können ? das
ist für mich ungeheuer wichtig. Man langweilt sich sonst
selbst und ich hätte dann immer das Gefühl, dass ich
meinen Beruf nicht genug ausschöpfen kann. In ?Borowski
und die einsamen Herzen? zeigen wir ja auch eine Art der
Komik, die nichts mit Slapstick zu tun hat ? die Szenen sind
oft verzweifelt und dabei komisch für den Zuschauer,
aber nicht für den Protagonisten, der in der Situation steckt.
Ich freue mich immer sehr über die Abwechslung, die ich
durch meine unterschiedlichen Angebote habe. Das lässt
mich als Schauspieler hungrig bleiben.
Diese Art des Humors scheint Ihnen zu liegen ? liegt das
an Ihrer norddeutschen Herkunft?
Ich glaube nicht, dass das mit der Küste zu tun hat ? das
kann auch einem Römer so gehen. Wenn Marcello
Mastroianni in lustigen Momenten gespielt hat, dann
hielt man das Fluchen und Schreien für das italienische
Temperament, über das wir uns amüsieren, aber die
Figuren schlugen sich etwa eine Aktentasche auf den Kopf
oder flüchteten in Unterhosen über den Balkon ? dabei
ging es um das nackte Überleben. Ein Protagonist, der selber
lacht und komisch sein will, funktioniert meiner Meinung
nach nicht. Es ist auch nicht lustig, wenn ein Bettler in
der Pfütze ausrutscht, sondern es ist lustiger, wenn ein
sehr eleganter Herr im Dreck landet ? weil er tiefer fällt
und schmutziger wird oder vielleicht die Nase so hoch
getragen hat, dass er die Pfütze nicht gesehen hat.
Wie ist die Beziehung zwischen Borowski und Frieda Jung ?
kann daraus was werden?
Von beiden Seiten besteht eine Spannung gegenüber
dem Anderen und es herrscht eine gewisse Aufgeregtheit.
Diese Spannung, die sich nicht erfüllt, ist gerade das
Schöne an dieser Beziehung. Wenn es hier ein Happy End
gäbe, könnten wir diesem Spiel mit dem Möglichen nicht
mehr beiwohnen. Wir würden unsere Wünsche durch ihre
Erfüllung zerstören.
Borowski hat sehr eigenwillige Ermittlungsmethoden ?
so beschafft er sich etwa mit Drohungen Beweismaterial
beim ?Kieler Boten?.
Borowski ist niemand, der die akkurate Anwendung der
Bilderbuch-Ermittlungsmethoden vor alles andere setzt.
Wenn er Witterung aufgenommen hat, dann ist sie so
stark, dass er mit Ellenbogen durchbrettert. Das ist eine
klassische Eigenschaft von Ermittlern, die alleine arbeiten.
Für den Vorgesetzten ist das dann immer schwierig, und in
der Regel versuchen die Kollegen, Borowski zu bremsen ?
am Ende bekommt er aber doch Recht. Diese Methoden
bringen ihm natürlich nicht die goldene Ehrennadel der
Polizei ein, aber ich denke schon, dass ein Ermittler auch in
einem auslegungsfreien Raum tätig sein darf. Wenn Gefahr
im Verzug ist, kann man auch in der Formulierung nicht
mehr jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Lars Jessen ? da haben
sich offenbar zwei Kieler gefunden ...
Absolut ? das war wirklich ganz toll und wir haben uns
wahnsinnig gut verstanden. Wir sprachen am Set zusammen
platt, waren gemeinsam mit der Dauerkarte seines
Onkels beim THW Kiel und haben uns dort ein Bundesligaspiel
angesehen. Wir sind auch voller Pläne für die Zukunft.
Ich mochte schon seinen Film ?Der Tag an dem Bobby
Ewing starb?, den ich als Jury-Mitglied beim Max-Ophüls
Festival in Saarbrücken gesehen hatte. Lars ist sehr vielseitig,
sehr schnell und kompetent ? außerdem ist er ein ganz
bodenständiger Familienmensch, was mir selbst entspricht
und was ich sehr schätze.
Wie kommt es, dass ein Nordlicht wie Sie in München lebt?
Dieses Jahr ist bisher recht anstrengend gewesen ? ich habe
zwei Filme in Kiel, zwei in Hamburg gedreht und nun acht
Folgen ?Dr. Martin? in Neuharlingersiel in Ostfriesland ?
das ist wirklich eine lange Strecke. Dafür müssten wir eigentlich
in Hamburg wohnen, aber meine Frau ist Münchnerin
und die Söhne gehen dort zur Schule. Es sind ja auch schöne
Projekte, aber ich würde gerne auch mal in München oder
in Bayern drehen.
Können Sie segeln?
Ich bin kein Segler, der alleine den Atlantik überqueren oder
auch nur bis England segeln würde ? aber wir segeln auf
dem Ammersee, wo meine Familie einen kleinen alten Kahn
liegen hat und ich kann mich dabei wunderbar entspannen.
Wie sind die weiteren Pläne?
Ich drehe bis 17. Oktober ?Dr. Martin? ? dann ist Pause bis
Februar ? danach steht der nächste Kiel-Tatort an. In diesem
Jahr habe ich noch ?Das tapere Schneiderlein? mit Kostja
Ullman und Karoline Schuch gemacht ? dann einen Film
mit Ursula Karven in Lübeck und Hamburg, danach war ich
mit Henning Mankell auf Lesetour und habe für den Hörverlag
sein neues Buch ?Der Chinese? sowie zwei weitere
Mankells eingelesen. ?Der Chinese? wird im November mit
dem Buchpreis Corine in der Kategorie Hörbuch ausgezeichnet
... ein volles Jahr!!
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