?Wir haben uns früh entschieden, dass wir mit sehr kräftigen, bunten Farben arbeiten wollten?
Gespräch mit Kameramann Hans Fromm, Szenenbildnerin Zazie Knepper und Kostümbildnerin Ingrida Bendzuk
Welche konzeptionellen Vorüberlegungen gab es für
Kamera, Ausstattung und Kostüm?
Hans Fromm: Regisseurin Angelina Maccarone hatte klare
Vorstellungen davon,was die Farbigkeit und den Stil des
Films anging.Wir haben uns früh entschieden, dass wir
mit sehr kräftigen,bunten Farben und mit viel Sonnenlicht
arbeiten wollten ? im Gegensatz zu vielen Krimis, die
momentan im Fernsehen laufen.
Zazie Knepper: Wir haben überlegt,was die Welt der
Kleingärten auszeichnet. Sie sind bunt, fröhlich und lebensbejahend,
stehen für unbeschwerte Freizeit mit Grillen
und Gemüsezucht. Diese Heiterkeit wollten wir optisch
verstärken. Die Ausstattung soll nicht als eigene Kunstform
der Geschichte aufgepfropft werden. Mein Ziel ist es,
mit der Ausstattung die Dramaturgie der Geschichte zu
unterstützen und die Persönlichkeit der Filmfiguren
hervorzuheben.
Wie sind Sie an die Arbeit herangegangen?
Ingrida Bendzuk: In einem gemeinsamen Gespräch haben
Regisseurin Angelina Maccarone und ich die Details festgelegt.
Wir haben über die extreme Farbigkeit, die der Film
haben sollte, gesprochen. Als Vorlage dienten mir dafür die
Blumengärten. In der Spätsommerzeit leuchten die Farben
bei Sonne ganz besonders. In diese Richtung sollte es
gehen.
Zazie Knepper: Da ich meine Ideen für die Ausstattung mit
bestimmten finanziellen Mitteln umsetzen muss, ist für
mich wichtig:Wo spielt der Film? Was findet man an den
realen Schauplätzen vor?
Ergab sich die Idee, den Film sehr bunt zu gestalten, daraus,
wo dieser Film spielt?
Hans Fromm: Ja, die Farben sollten kein Selbstzweck sein.
Schließlich geht es um eine Kleingartenkolonie, dort findet
man sowieso weniger die blassen, gedeckten Farben vor,
sondern eher kräftige, leuchtende Farbtöne.Wir haben dort
angesetzt und noch eins drauf gesetzt:Wir haben dann
alle Räume bis hin zu den Büros im LKA so farbig gestaltet,
wie es nur irgendwie möglich war.
Zazie Knepper: Schrebergärten sind für einen ?Tatort?
schwieriger zu filmen, als man denkt. Filmisch gesehen,
werden Bäume und Grünflächen schnell eintönig, sie
bieten keine Struktur, keine Orientierung fürs Auge.
Wie haben Sie im Einzelnen gearbeitet,welche Herausforderungen
ergaben sich dabei?
Hans Fromm: Ich habe mit verhältnismäßig hartem, direktem
Licht gearbeitet, um die Farben zu verstärken.Wir
haben ausführliche Probeaufnahmen gedreht, um sicherzustellen,
dass das direkte Licht die Darsteller nicht entstellt.
Andererseits haben wir auch in der Nachbearbeitung
im Studio die Farbsättigung noch gesteigert, so weit es
ging.Voraussetzung ist natürlich eine hohe Farbigkeit
schon bei den Kostümen und der Ausstattung. Ich kann als
Kameramann nichts herzaubern,was nicht schon da ist.
Zazie Knepper: Wir wollten eine Spannung aufbauen
zwischen der heiteren Außenseite und dem,was darunter
liegt, den tieferen Schichten, die im Verlauf des Filmes
zum Vorschein kommen.Dafür stehen die Insekten und
Krabbeltiere, die plötzlich überraschend ins Bild kommen ?
Kompostwürmer, Ameisen etc.
Wie haben Sie Gärten oder Innenräume umgestaltet,um
die beste Lösung zu finden?
Zazie Knepper: Wir haben in insgesamt vier Kolonien
gedreht.Wir brauchten offene Blickverbindungen und
Durchsichtigkeit, um deutlich zu machen, dass die
Menschen hier zu einer Gemeinschaft gehören und in
ihren Gärten wie auf dem Präsentierteller sitzen.Wir
haben also Hecken niedriger geschnitten oder einen
riesigen Knöterich, der über einem Gartentor rankte,
abgenommen.
Hans Fromm: Selbst das Polizeipräsidium haben wir eingefärbt.
So haben wir sämtliche Flurtüren rot gestrichen ? ein
erheblicher Aufwand. Außerdem haben wir gelbe Wände
aufgebaut, die zugleich den Vorteil hatten, dass wir damit
Präsidiumsbüros und Pathologie miteinander verbinden
konnten ? obwohl sie real nicht im selben Gebäude lagen.
Überall dort, wo wir Einfluss nehmen konnten, haben wir
uns für möglichst kräftige Farben entschieden.
Ingrida Bendzuk: Ich habe versucht, die Darsteller in ihrer
Kostümfarbigkeit wie blühende Blumen aussehen zu
lassen. Nicht nur in den Gartensequenzen. Das kann man
in der Uni-Bibliothek gut sehen. Da sitzen die Studenten
im Hintergrund und die Farben werden wieder aufgenommen.
Haben Sie den Farben bestimmte Bedeutungen gegeben?
Hans Fromm: Uns ging es um eine generelle Atmosphäre.
Von symbolhaften Farben halte ich nicht viel.
Ingrida Bendzuk: Durch die unterschiedliche Farbgebung
sollte versucht werden, die herbstliche Heiterkeit, das
Morbide und die Vergänglichkeit in der Geschichte zu
zeigen wie auch bestimmte Charaktere zu unterstützen.
Zazie Knepper: Die Farbgebung sollte sich durch den ganzen
Film ziehen. Die Ausstattung muss dabei glaubwürdig
bleiben ? einerseits muss sie realistisch wirken, andererseits
soll sie eine Geschichte miterzählen. Beim ?Tatort?
muss die Ausstattung zudem einem bestimmten ästhetischen
Anspruch genügen, darf aber auch keine künstliche
abgehobene Welt schaffen. Das ist die Aufgabe der Ausstattung,
das ist die Gratwanderung.
Ein farbensprühendes Highlight ist das Erntedankfest in
der Gartenkolonie.Wie haben Sie dieses Fest gestaltet?
Ingrida Bendzuk: Ich habe auch hier die Natur und Garten
zum Vorbild genommen. Es sollte lustig sein. So entstand
die Idee, Obst und Gemüse tanzen zu lassen. Die Kostüme
wurden entsprechend gefertigt.
Sind Sie beim Kostüm darauf eingegangen, dass Maria
Furtwängler diesmal eine junge Mutter spielt?
Ingrida Bendzuk: Ja. Ich habe entsprechende Stoffe und
Schnitte ausgewählt.Kommissarin Lindholm trägt als
junge Mutter bequeme Kleidung in heiteren Farben.
Herr Fromm, wie haben Sie dieses Farb-Konzept bei den
Nachtszenen umgesetzt?
Hans Fromm: Die Nachtszenen in der Gartenkolonie haben
wir bewusst in sehr eigenes, ein intensives rot-oranges
Licht getaucht. Die haben es auf die Spitze getrieben. Das
kräftige Orange verdrängt alle anderen Farben.
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