"Man kann sich nur wünschen, dass jedes Ende auch ein Neuanfang ist"
Interview mit Ursula Karven
Bild: NDR/Maria Krumwiede |
Als Staatsanwältin Wanda Wilhelmi geraten Sie in die
Gewalt von Verbrechern. Verzweifelt Wilhelmi angesichts
der Tortur?
Nein, sie steht ihre Frau und bleibt sehr standhaft ihren
Prinzipien treu. Doris J. Heinze, Robert Atzorn, Thomas
Bohn und ich haben beim Dreh lange Gespräche darüber
geführt, warum sie sich nicht unterkriegen lässt: Wanda
Wilhelmi steht hier für den Staat, an den sie glaubt, und
für die Gerechtigkeit, die sich nicht verbiegen lässt. Sie ist
bereit, alles dafür zu riskieren.
Bei den brutalen Verhören versuchen Sie, eine Komplizin
der Entführer auf ihre Seite zu ziehen ? ein Appell von
Frau zu Frau?
Ob es eine Frau ist oder ein Mann, spielt hier keine Rolle.
Wanda merkt, dass diese Komplizin wankelmütig und nicht
völlig von dieser Entführung überzeugt ist. Wanda spürt
schnell, dass der einzige Weg hinaus aus ihrem Verlies über
diese Wackelkandidatin führt.
Die Maske hat ganze Arbeit geleistet: Sie sehen in diesen
Szenen im Kellerverlies wirklich übel zugerichtet aus.
Viele Schauspielerinnen sagen, dass es ihnen nichts ausmache,
im Film ihre Schönheit für die Rolle zu opfern.
Sehen Sie das ähnlich?
Mich persönlich hat dieses Aussehen überhaupt nicht
gestört. Ich musste mich nur daran gewöhnen, dass mich
Mitarbeiter aus dem Drehteam oft völlig entsetzt anstarrten
oder ansprachen, sobald ich aus der Maske kam. Da
hieß es für mich, locker zu bleiben. Man läuft ja den ganzen
Tag so herum. Einmal, nach einem späten Dreh, hatte
ich sogar vergessen, mich abzuschminken und bin so ins
Hotel gekommen. Ich dachte gar nicht mehr daran, wie
zugerichtet ich aussah, aber die Mitarbeiter an der Hotelrezeption
wurden fast ohnmächtig, als sie mich sahen. Die
dachten, ich wäre in einer düsteren Ecke der Stadt zusammengeschlagen
worden. Ich hatte diese Maske so völlig
vergessen, wie ich sie auch beim Drehen vergesse. Wenn
die Kamera läuft, konzentriere ich mich so sehr auf die
Gefühle, die ich darzustellen habe, dass die Maske nebensächlich
wird.
Hat Autor und Regisseur Thomas Bohn Ihnen gut dabei
geholfen, sich in Wandas beklemmende Lage hineinzuversetzen?
Thomas Bohn ist ein exzellenter Regisseur, und da er die
Geschichte auch geschrieben hat, hatte er sehr genaue
Vorstellungen von der Figur Wanda Wilhelmi, sehr genaue
Vorstellungen davon, wie sie diese Entführung durchlebt
und wie sie mit der bedrohlichen Situation umgeht. Er hat
mich sehr gut geführt und ich habe mich in dieser Hinsicht
komplett auf ihn verlassen.
War es schade, dass sie so wenige gemeinsame Szenen
mit Robert Atzorn alias Hauptkommissar Jan Casstorff
hatten? Immerhin hatte sich in den letzten ?Tatort?-Episoden
eine intensive Liebesgeschichte zwischen Casstorff
und Wilhelmi entwickelt.
Als Schauspielerkollegen, mit dem ich mich sehr gut verstehe,
habe ich Robert natürlich beim Dreh dieser Szenen
sehr vermisst. Für meine Arbeit spielte die Distanz allerdings
keine Rolle. Ich war auf meine Rolle vorbereitet, so
wie sie angelegt war, war innerlich geradezu festgezurrt an
meine Aufgabe als Schauspielerin und habe meine Emotionen
spielen lassen. Ich fand es geradezu hilfreich, allein am
Drehort zu sein.
Fanden Sie es wichtig, dass die Lovestory zwischen
Wilhelmi und Casstorff in dieser abschließenden Episode
zu einem entscheidenden Punkt gebracht wird?
Besonders für die Rolle Casstorffs fand ich es sehr wichtig,
einen Abschnitt abzuschließen und die Motivation für
einen Start in ein anderes Leben zu finden. Ich finde es
ganz schön, dass man diesen Film entgegen der Erwartung
eines dramatischen Finales relativ offen auslaufen lässt.
Diese reduzierte Art, mit einem Finale umzugehen, finde
ich ganz gut.
War dieser letzte ?Tatort? denn für Sie ein besonderer
?Tatort??
Für mich war diese letzte Episode eine große Herausforderung.
Ich habe so etwas in so einer Härte noch nie gespielt.
Für mich als Schauspielerin war es aufregend, an meine
Grenzen zu gehen. Es war ein intensives Erlebnis, mich in
dieses Gefühl der Entführung, des Kidnapping hineinfallen
zu lassen. So merkwürdig das im Zusammenhang mit
Wandas beklemmender Situation klingt: Es hat mir wahnsinnig
viel Spaß gemacht. Thomas Bohn hat Wandas Haltung
zu dem Geschehen gemeinsam mit mir entwickelt:
Ihr Gefühl, dass sie nur durch ihre Stärke gewinnen kann
am Schluss. Ihre Überzeugung, dass sie sich nur retten
kann, wenn sie sich nicht verbiegen lässt. Für mich war es
eine tolle letzte Wanda-Wilhelmi-Erfahrung.
So ruppig ist man in den vorigen Folgen nicht mit Ihnen
umgegangen, oder?
Nein, bestimmt nicht. Ich habe diesmal beim Drehen
einiges zu spüren bekommen. Obwohl ich wirklich durchtrainiert
bin, war es ziemlich heftig. Die haben mich gerissen,
geschleudert und geschmissen, auf den Tisch geknallt
? für jemanden, der nicht körperlich fit ist, wäre das kaum
durchzustehen.
Sie haben blaue Flecke davongetragen ??
Absolut. Für diese Rolle war das notwendig. Ich habe den
Kollegen gesagt, dass sie zugreifen sollen. Es sieht
unglaubwürdig aus, wenn man diese Griffe nur andeutet.
Bedauern Sie es insgesamt, dass diese ?Tatort?-Reihe
gerade zu einem Zeitpunkt ausläuft, an dem Sie als
Staatsanwältin eine immer wichtigere Rolle gespielt
haben?
Man kann sich nur wünschen, dass jedes Ende auch ein
Neuanfang ist. Es war eine großartige Zeit ? von Seiten der
Kollegen, der Redaktion. Ich bin dankbar für die tolle Aufgabe,
die ich hatte, und muss jetzt offen für neue Dinge sein.
Was steht für Sie als Nächstes an?
Zwei neue Projekte für die ARD sind geplant, weitere neue
Aufgaben stehen an ? ich bin voller Tatendrang.
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