"Es war Roberts Idee, mich als zweiten Mann ins Boot zu holen"
Interview mit Tilo Prückner
Bild: NDR/Maria Krumwiede |
Kurz nach dem Mord ermittelt Holicek beim zwielichtigen
Chef des Hamburger Export-Verbandes. Wie fühlt er Verdächtigen
auf den Zahn?
Im Vergleich zu Jan Casstorff nimmt Holicek seine
Gesprächspartner auf etwas derbere Art ins Verhör.
Dreh- und Angelpunkt dieses Falles sind illegale Geschäfte
mit Elektroschrott ? für Sie ein bislang unbekanntes Thema?
Nein. Dass die Industriestaaten versuchen, ihren Schrott in
der dritten Welt loszuwerden, habe ich schon mitbekommen.
Das ist ein ernst zu nehmendes Problem. Bei meinen
verschiedenen Reisen, etwa nach Indien, fielen mir schon
einmal alte Schiffe auf, die in der Reede von Bombay lagen
und dort offenbar verschrottet werden ?
? und dort beispielsweise die Umwelt schädigen?
Ja, auch wenn immer das Gegenteil beteuert wird. Wir
wissen doch, wie gerne sich etwa die Energiekonzerne als
umweltbewusst und verantwortungsbewusst präsentieren
? die Realität sieht doch oft ganz anders aus. Auch den
Versprechen unserer Politiker in Sachen Klimaschutz mag
ich nicht so recht trauen. Der Schein kann trügen, das zeigen
auch die scheinbar honorigen Kaufleute, die unseren
?Tatort? bevölkern.
Im Film hadert Holicek ständig mit seinem Dienst-
Computer, der nicht so will wie er soll.
Diese Computer-Episoden dienen als humoristische Auflockerung
? anschließend wird es dann wieder ernst.
Wie steht es mit Ihren eigenen Computer-Kenntnissen?
Können Sie wie Holicek das Ding mit einem kleinen
Tritt wieder zum Laufen bringen?
Ich gehöre eher zu den Dinosauriern, was Computer
betrifft. Ich besitze einen Laptop, den ich aber nur als
Schreibgerät nutze. Ich habe keinen Internet-Zugang,
schreibe also weder E-Mails noch surfe ich im Web.
Es macht mir einfach keinen Spaß.
Haben Sie sich eigentlich auf die Drehbuch-Einfälle von
Thomas Bohn verlassen, oder haben Sie noch ein paar
Holicek-Sprüche hinzugedichtet?
Man sagt mir wohl nach, dass ich oft ziemlich viel an
Drehbüchern ändere. Es gibt allerdings auch Regisseure,
die sich dagegen wehren. Thomas Bohn hat mir bei diesem
letzten ?Tatort? freundlicherweise weitgehend freie Hand
gelassen. Daher habe ich einige zusätzliche Einfälle und
Änderungen ergänzt.
Im letzten ?Tatort? ist viel Raum für das Kumpel-Verhältnis
zwischen Casstorff und Holicek. Sind die beiden jetzt ein
Herz und eine Seele ? oder doch wie Feuer und Wasser?
Eines ist klar: Holicek würde nichts unversucht lassen, um
Casstorff etwas recht zu machen. Er ist absolut loyal, auch
wenn er mit ihm streitet. Holicek ist froh darüber, dass
Casstorff souverän genug ist, über gewisse Eigenarten seines
Mitarbeiters und Kumpels großzügig hinwegzusehen.
Gibt es so etwas wie das Erfolgsgeheimnis dafür, dass Sie
mit Atzorn in diesem ?Tatort? so ein unterhaltsames
Gespann bilden? Ist es die gegenseitige Sympathie?
Dass wir beide uns mögen, ist sicher die Basis dafür, dass
wir als Ermittlerteam gut harmonieren. Ich hätte mir allerdings
gewünscht, dass die Drehbuchautoren uns beide
als Figuren mit noch mehr Ecken und Kanten ausgestattet
hätten ? wir wären als Ermittler-Duo dann noch prägnanter
geworden.
Nachdem Staatsanwältin Wilhelmi entführt wurde, geben
sich Holicek und Casstorff abends am Kneipentresen
ordentlich die Kante ? ist das ihre Art, Gefühle zu zeigen?
Ich denke, ja. Sie spülen ihre Sorge und Nervosität mit
einigen Bieren runter.
Ist es eigentlich schwer, einen Betrunkenen zu spielen?
Es ist naheliegend, hier ?Nein? zu sagen. Ich möchte dennoch
behaupten, dass es so einfach nun auch wieder nicht
ist. Ich habe früher manchmal mit einer geringen Menge
Alkohol nachgeholfen, weil es nüchtern sehr schwierig ist,
den schwankenden Sprechrhythmus eines Betrunkenen
nachzuahmen. Da ich früher oft Penner und Alkoholiker
gespielt habe, bringe ich mittlerweile genug Übung und
Erfahrung mit, um das auch nüchtern hinzubekommen.
Achten Sie mal drauf: Nicht jeder Schauspieler überzeugt
als Beschwipster.
Kannten Sie Robert Atzorn eigentlich schon vor dem
gemeinsamen ?Tatort??
Genau so ist es. Es war Roberts Idee, mich als zweiten
Mann ins Boot zu holen.
Welche von Ihren ?Tatort?-Folgen fanden Sie denn am
gelungensten?
Meine Favoriten sind die beiden Folgen, die Claudia Garde
inszeniert hat, ?Schattenspiele? und unsere vorletzte Episode
?Investigativ? ? die sind überdurchschnittlich gut. Ebenfalls
sehr schön gemacht war die Episode ?Das Würfelzimmer?
? hier hat der Grieche Filippos Tsitos Regie geführt.
Welches Erlebnis bei den Dreharbeiten ist Ihnen besonders
in Erinnerung geblieben?
In einer Szene fuhr ich unseren Dienstwagen, Robert Atzorn
saß neben mir, der Kameramann auf dem Rücksitz. Wir
mussten über eine Kante hinüber, an der unser Wagen immer hängen blieb. Ich habe dann vorgeschlagen, etwas
mehr Gas zu geben. Als wir die Szene drehten, gab es
plötzlich einen unglaublichen Knall, der uns einen riesigen
Schreck eingejagt hat. Außerdem schossen jetzt die Airbags
heraus, sämtliche Airbags in diesem Fahrzeug, auch
an den Seiten ? das staubte ungemein. Das werde ich so
schnell nicht vergessen. Wir mussten diese Airbags dann
mühsam zusammenfalten und festkleben, damit wir drehen
konnten.
Wie haben Sie als geborener Augsburger und Wahl-
Berliner die Dreharbeiten in Hamburg erlebt?
Eine schöne, tolle Stadt. Ich habe mich jedesmal gefreut,
nach Hamburg zu kommen. Das werde ich vermissen ?
auch das Joggen mit Robert an der Alster.
Thomas Bohn wünscht Ihnen mehr komische Rollen.
Wird Ihr komisches Talent unterschätzt?
Nun, bei diesem ?Tatort? sollte ich den Humor zunächst
bewusst zurückfahren. Ich hatte vorher einige Rollen
als Mörder ? da fand man einen humoristischen Holicek
wohl nicht so passend. Ob mein komisches Talent unterschätzt
wird, weiß ich nicht, auf jeden Fall spiele ich gerne
Komisches. Immerhin war ich sechs Jahre lang der hypochondrische
Kriminalhauptmeister in ?Adelheid und ihre
Mörder?. An Holicek fand ich gut, dass er ein vergleichsweise
normaler Typ ist.
Sie haben in den 70ern und 80ern mit jungen deutschen
Regisseuren wie Reinhard Hauff oder Niklaus Schilling,
Edgar Reitz und anderen gedreht und damals vor allem
Exzentriker und Außenseiter gespielt. Welcher dieser
Regisseure hat Sie am stärksten beeinflusst?
Stark beeinflusst und bis heute geprägt hat mich vor allem
die ?Schaubühne?, das Berliner Theater, das ich mitgegründet
und an dem ich lange gearbeitet habe. Ein guter Filmregisseur
für Schauspieler ist Wolfgang Petersen, mit dem
ich ebenfalls gedreht habe. Heutige Regisseure sind oft im
technischen Bereich viel weiter als die Autorenfilmer
damals ? allerdings nehmen sie die Technik oft schon
wichtiger als den Inhalt.
Zwischen Ihren Film- und Fernsehprojekten zieht es
Sie oft in die Ferne, häufig nach Indien ? warum gerade
dieses Land?
Ich genieße es, dort sehr einfach und unkompliziert zu
leben, verbringe oft einige Zeit in einem kleinen Wallfahrtsort
und kann dort wunderbar entspannen ? beim
Schwimmen, Wandern oder beim Nichtstun. Am Schluss
meiner Indien-Reisen hänge ich immer zwei, drei Tage
in Bombay dran. Dort lasse ich diese Fülle an Eindrücken
auf mich einströmen, die man dort erleben kann ? davon
kann ich dann ein Jahr lang zehren.
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