"Mir war wichtig, dass diese Frau nicht als Monster erscheint"
Interview mit Maria Schrader
Tochter, Mutter und Vater Raven, Bild: NDR/Marion von der Mehden |
Ohne Ihre Figur, die Ehefrau des Täters, lässt sich der Mord
zu Beginn des neuen Kieler ?Tatorts? kaum begreifen.
Wie kaputt ist die Ehe, in der Sie als Iris Raven leben?
Diese Frau hat ihre Ehe weitgehend aufgegeben. Sie hat
die Achtung vor ihrem Mann und das Vertrauen zu ihm
verloren.
Stattdessen verdient sie Geld, um ihrer Tochter ein besseres
Leben zu ermöglichen ?
Ja, sie hat sich eine zweite Identität zugelegt und verdient
mit Prostitution in der Nachbarschaft ein Zubrot.
Da muss sie schon ziemlich verzweifelt und hilflos sein,
oder?
Ja, das ist Ehe-Elend pur. Es macht beide noch einsamer,
zumal beide Bescheid wissen, aber nicht darüber reden. Sie
straft ihn damit auch, hält ihm vor Augen, wie kaputt ihr
Zusammenleben ist. So wird die Fürsorge für die Tochter
auch zur Rache an ihm.
Bewusste Bosheit gegen den Ehemann?
Vor allem Hilflosigkeit. Beide haben das Gefühl, in einer
Falle zu sitzen, aneinander gebunden aus ökonomischen
Gründen.
Haben Sie Ihrer Figur neue Facetten hinzugefügt, die nicht
im Drehbuch standen?
Das Drehbuch ließ verschiedene Interpretationen dieser Iris
Raven zu. Mir lag daran, diese Frau nicht zu einer psychisch
kranken Person zu machen und sie allzu eindeutig in eine
Schublade zu pressen. Da sollen auch Liebe, Fürsorge und
Trauer mitschwingen. Mir war wichtig, dass diese Frau
nicht als Monster erscheint.
Worauf kam es bei der Sexszene an, in der wir Sie als
Iris Raven erleben?
Das Allergrauenvollste für ihren Ehemann ist die Tatsache,
dass sich der Sex mit ihren Freiern im heimischen Ehebett
abspielt. Sie ist keine Belle de Jour, sie bietet Authentizität.
Verbittert nimmt sie es hin, dass ihr eigenes Leben in einer
Sackgasse steckt, nun will sie wenigstens ihrer Tochter das
Geld zukommen lassen, das ihr den Aufstieg ermöglichen
soll.
Haben Sie es bedauert, dass Sie nur wenige Szenen
zusammen mit Axel Milberg hatten?
Ja. Ich hoffe also darauf, dass wir demnächst wieder einmal
zusammen drehen. Nicht zuletzt wegen der Arbeit mit
Regisseurin Claudia Garde war dies dennoch eine sehr
schöne Dreherfahrung.Kürzlich habe ich mit ihr schon das
TV-Drama ?Auf dem Vulkan? für die ARD gedreht.
Im Kino sorgten Sie im Herbst mit ?Liebesleben? nach
Roman von Zeruya Shalev für Furore ? Sie haben das Drehbuch
geschrieben und erstmals Regie geführt.Was ist
Ihnen Ihrer eigenen Meinung nach hier besonders gut
gelungen?
Am Anfang stand meine Begeisterung für diesen Stoff.
Später, bei einer Lesereise, entwickelte sich eine Freundschaft
zwischen Zeruya Shalev und mir.Auch in die Position
der Regisseurin bin ich hineingewachsen. Diese sehr
authentische und persönliche Entstehungsgeschichte ist
für mich das Besondere an ?Liebesleben?.
Der Film ist Ihnen offenbar so gut gelungen, dass Sie beim
Filmfestival in Rom Tom Cruise und Robert Redford die
Show gestohlen haben ?
So haben es die ?Tagesthemen? berichtet ? dann wird es
wohl stimmen.
NDR-Pressemappe
|