»Als Schauspieler hast du Verantwortung für deine Figur«
Ein Gespräch zu zehn Jahren »Tatort« aus Köln mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär
Bild: WDR |
Seit 1997 bilden Sie das »Tatort«-Team Ballauf
und Schenk.Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Klaus J. Behrendt: Oh, dann bin ich 57 und hoffentlich
körperlich und geistig noch so fit, dass
ich noch viele Filme machen kann.Wir können ja
nicht davon ausgehen, dass wir bis dahin alle
Verbrecher gefangen haben. Es kommen schließlich
immer wieder neue dazu. Das ist ja das
Problem.
Herr Bär, in Ihrer Rolle als Freddy Schenk sind Sie
gerade Großvater geworden.Was hat sich aus
Ihrer Perspektive im Leben des Kollegen Ballauf
in den letzten Jahren verändert?
Dietmar Bär:Überhaupt nichts. Man kriegt ihn
weder in eine Wohnung, noch in irgendein
Sozialgefüge. Der verweigert sich jeder Beziehungsarbeit.
Eine große Entwicklung ist da nicht
wirklich zu sehen. Schade eigentlich. Es könnte
ihm auch mal ein bisschen besser gehen.Wenn
er schon keine Familie hat,wäre ihm zumindest
ein wenig Freizeit zu wünschen.
Auch Freddy Schenk ist nicht gerade ein einfacher
Zeitgenosse, oder?
Behrendt: Nein, wirklich leichter ist es mit ihm
nicht geworden. Das meine ich auch im übertragenen
Sinne. Mir fällt ja inzwischen meist der
ganze körperliche Part zu: Bei den Verfolgungsjagden
im »Tatort« muss ich immer die Laufarbeiten
machen. Insgesamt, würde ich sagen, ist
Freddy Schenk etwas ruhiger geworden. Geläuterter.
Aber das trifft eigentlich für beide Charaktere
zu.
Bär: Ist doch klar. Die beiden haben zig Morde
aufgeklärt, extrem brenzlige Situationen bestanden
und sich mit sehr komplexen Themen
auseinandergesetzt. Daran sind die Kommissare
auch gewachsen. Nach knapp 40 Fällen weiß
man mehr über den Charakter, den man darstellt.
Da hast du auch als Schauspieler eine Verantwortung
für diese Figur. Die Zeit, in der Schenks
Markenzeichen seine Cowboystiefel waren, sind
jedenfalls schon lange vorbei.
Behrendt: Aber ich muss schon sagen, es gibt
auch immer wieder Momente, in denen man
auch als Schauspieler über die Geschichte oder
Inszenierung noch ganz neue Seiten an seiner
Figur entdeckt? So wie zuletzt bei »Die Blume
des Bösen« als Max Ballauf von einem Psychopathen
durch die ganze Stadt gejagt wurde. Das
war schon eine Extremsituation.
Wie experimentierfreudig darf man als Regisseur
oder Autor beim »Tatort« aus Köln sein?
Behrendt: Experimentierfreude ist gerade das,
was das Format »Tatort« auszeichnet.Wir haben
in den zurückliegenden zehn Jahren sehr viele,
ganz verschiedene Filme gemacht.
Bär: Klaus und ich kriegen dann die Info von der
Produktion oder Redaktion: ?Da kommen jetzt
ein junger Regisseur und ein innovativer Kameramann.
Die haben mal etwas ganz Anderes vor.?
Und dann geht es los. Man kann Krimis nicht
neu erfinden, aber man kann sie immer wieder
neu erzählen.
Behrendt: Die Figuren müssen dabei natürlich
geschützt werden. Aber ein Regisseur hat bei
uns die Plattform eine Geschichte anzubieten,
die speziell ist.
Bild: WDR |
Eine große Bandbreite gibt es auch bei den
Stoffen, die der »Tatort« aus Köln behandelt:
Da geht es neben dem klassischen Mord aus
Eifersucht um große Themen wie Tretminen,
Blutdiamanten und Kinderprostitution in Manila.
Reicht Köln allein als Tatort nicht aus?
Behrendt: Der Ausgangspunkt für unsere Kommissare
ist immer ein Mord, der in Köln passiert.
Und dann muss man sehen,welche Geschichte
sich daraus ergibt.Warum sollte man da bei der
Stoffentwicklung die so genannten »großen
Themen« ausschließen? Grundsätzlich finde ich
es gut,wenn unsere Filme polarisieren. Auch
Ballauf und Schenk sind sich in ihrer Einschätzung
der Dinge ja nicht immer einig.Wenn wir
mit dem »Tatort« ein wichtiges Thema wie das
große Geschäft mit den Landminen anstoßen
können, und die Leute am nächsten Tag auf der
Arbeit sagen:»Was hälst Du eigentlich davon?«,
haben wir doch schon viel erreicht.
Bär: Unter dem Strich ist und bleibt der »Tatort«
aber immer ein Krimi. In so einem fiktionalen
Format kann man keine ausgewogene Behandlung
zu umfassenden Themen wie den Babyklappen
oder der Wehrmachtsausstellung
liefern. Aber wir können ganz schön was in
Bewegung setzen. Unser »Minenspiel« wurde
im Menschenrechtsausschuss des Bundestags
gezeigt, und auch als wir mit dem Film »Bestien«
das Thema Selbstjustiz aufs Tablett brachten,
sorgte das für sehr viel Wirbel. Gerne würden
wir einmal einen »Tatort« machen, in dem es
um Arbeitslosigkeit geht. Das ist ein ganz wichtiges
Thema in unserer Gesellschaft. Aber im
fiktionalen Bereich findet das viel zu wenig statt.
Welche Missstände bewegen Sie, sich persönlich
einzusetzen?
Behrendt:Vor knapp neun Jahren haben wir für
den »Tatort« in den Slums von Manila gedreht.
Das ganze Team war von den Verhältnissen,
unter denen die Straßenkinder dort leben müssen
so schockiert, dass wir spontan den Verein
»Tatort ? Straßen der Welt e.V.« ins Leben gerufen
haben. Hier setzen wir unsere öffentliche
Bekanntheit dafür ein, dass Kindern in Notsituationen
geholfen wird. Und wir sehen, dass
unsere Arbeit etwas bewirkt. Der Verein hat
inzwischen schon viele Unterstützer, darunter
auch zahlreiche Kollegen und große Unternehmen.
Und, das ist uns ganz wichtig: Das gespendete
Geld fließt ohne Umwege direkt dahin,wo
es dringend gebraucht wird. Zu den notleidenden
Kindern.
Der »Tatort« aus Köln zählt stets zu den Quotenfavoriten
? Umfragen zu Folge sind Ballauf und
Schenk das beliebteste Kommissaren-Gespann.
Trotz dieser hohen Popularität machen Sie sich
im öffentlichen Leben eher rar.Warum?
Behrendt: Als Schauspieler gibst du ohnehin
schon eine Menge von Dir preis. Das Privatleben
ist ? wie das Wort schon sagt ? privat. Und wenn
man das konsequent durchhält, wird das von der
Presse und der Öffentlichkeit auch akzeptiert.
Privat leben Sie beide in Berlin, doch seit zehn
Jahren arbeiten Sie ? andere Filmprojekte einmal
ausgenommen ? vornehmlich in Köln. Fühlt
man sich da irgendwann wie ein klassischer
Berufspendler?
Behrendt: Stimmt. Mein zu Hause ist Berlin, und
Köln ist die Stadt, in der ich viel, viel arbeite. Das
hat schon etwas sehr Vertrautes,wenn man am
Köln-Bonner Flughafen mit den ganzen Businessleuten
aus dem Gate herauskommt und der
Fahrer, den wir schon seit vielen Jahren haben,
auf einen wartet. Auch große Teile des Team sind
ja schon seit Jahren dabei, das ist schon familiär.
Ich wohne in Köln schon von Anfang an im
gleichen Hotel ? aber nur damit da keine Missverständnisse
aufkommen: Das ist nicht die
Pension von Max Ballauf.
Bär: Ich habe in Köln eine kleine Wohnung, in der
lebe ich,wenn wir hier drehen. Es ist schon
schön, mitten im Pelz dieses großen, komischen
Tiers Köln zu sitzen. Das ist ja eine sehr sympathische
Stadt, auch wenn ich mir ein paar mehr
Straßenschilder und weniger Baustellen wünschen
würde.
Warum passen die Kommissare Ballauf und
Schenk nach Köln?
Behrendt: Ach, ich glaube im Grundsatz könnten
die Krimistoffe auch in jeder anderen Stadt in
Deutschland spielen. Aber es ist schon ein Unterschied,
ob du in einer Stadt ermittelst, die von
Grund auf offen ist oder in einer, die sich sperrt.
Die rheinische Mentalität lässt erst einmal alles zu.
Bär: Du musst eben sehen, wie sehr du es magst,
am zugigen Rhein an der Pommesbude zu
stehen und dich in deinem schicken Dienstwagen
mit dem Kölner Verkehr rumzuplagen. Für
uns ist es natürlich etwas ganz Besonderes hier
zu drehen.Wir sind beide mit dem WDR aufgewachsen
und haben unsere ersten Produktionen
für den Sender gemacht. Jetzt als »Tatort« -Kommissar
dort zu ermitteln,wo der WDR zu Hause
ist, empfinden wir schon als Auszeichnung. Und
sogar die Kölner Polizei hat uns schon für unsere
Dienste gewürdigt.
In zahlreichen Kneipen gibt es sonntagabends
»Tatort«-Abende, auch in Köln.Wie erklären Sie
sich die Sonderstellung dieser Krimireihe?
Behrendt: Das ist heute ein Stück deutscher
Alltag. Zum Sonntag gehört der Schweinebraten
und der »Tatort«. Das Wochenende ist fast
vorbei, und dann guckt man noch zusammen
den Krimi: Früher im Kreis der Familie und jetzt,
wo man nicht mehr zu Hause wohnt, trifft man
sich eben zum gemeinsamen »Tatort«-Schauen
in der Kneipe. Das ist doch schön. Der »Tatort«
schließt das Wochenende ab. Und am nächsten
Tag beginnt die neue Woche.
Wo sehen Sie den »Tatort«?
Bär:Oft in der Businesslounge am Flughafen.
Denn am Montag haben wir ja wieder Dienst.
WDR-Pressemappe
|