Angst, Furcht und Schrecken
Ein Mord auf der Hörnbrücke versetzt die Kieler Bevölkerung in Angst und Schrecken. Scheinbar willkürlich wurde Jochen Harmsen, der allseits beliebte Familienvater, auf seinem Weg zur Arbeit von einem Scharfschützen erschossen. Borowski, dem dieser Mordfall übertragen wird, konzentriert sich bei seinen Ermittlungen zunächst auf das berufliche und familiäre Umfeld des Opfers. Zwar gelingt es ihm hier ein Verbrechen aufzudecken, die Suche nach dem Mörder bleibt dabei allerdings erfolglos. Außerdem nimmt ein laufendes Gerichtsverfahren Borowskis Zeit in Anspruch. Der Kommissar ist als Zeuge geladen, um gegen einen Kindermörder auszusagen, den er selbst überführt hat. Der Prozess, der als sogenannter Selbstläufer gilt, nimmt jedoch eine überraschende Wende.
Bild: NDR/Marion von der Mehden |
Der rote Faden,...
Dass diese Handlungsstränge am Ende zusammengeführt werden und die Lösung des Falls in der Verbindung der beiden Erzählebenen liegt, scheint offensichtlich zu sein. Schließlich lässt sich auch der rote Faden, der auf der Kieler Hörnbrücke dem Scharfschützen die Windrichtung anzeigt, bis zu Richter Voigt, dem Vorsitzenden im Verfahren gegen den Kindermörder, spinnen. Vor seiner Haustür weht ebenfalls ein roter Faden im Wind. Neben der klassischen Frage nach dem Mörder gilt es also das Rätsel um den Zusammenhang zwischen den beiden Fälle zu lösen. Die komplexe Geschichte, zu deren Vervollständigung dem Zuschauer bis zuletzt das letzte Puzzleteil fehlt, verleiht dieser Folge die Spannung, die ein althergebrachtes whodunnit Schema nie zu erzeugen vermocht hätte.
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Borowski bleibt der Alte
Neben der Geschichte, die der Regisseur Florian Baxmeyer in "Macht der Angst" erzählt, steht die Inszenierung der Figur Klaus Borowski stark im Vordergrund. Baxmeyer fügt dem Charakter jedoch keine weiteren Eigenschaften hinzu, sondern hebt vielmehr bereits bekannte Eigenheiten des Kommissars hervor. Seinen Mitmenschen begegnet Borowski also gewohnt unterkühlt, still und grüblerisch mit einer leichten Tendenz zur üblen Laune. Auch an Borowskis Neigung zu Übersprungshandlungen beziehungsweise seinen Hang zum Jähzorn wird in dieser Episode leider nur erinnert. Seine gelegentlichen Ausbrüche sind bei Gericht bekannt und lassen sich gegen ihn verwenden, so dass der Strafverteidiger des Kindermörders wenig Mühe hat Borowski zu unterstellen, den Beschuldigten zu einem Geständnis gezwungen zu haben.
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Angst, Furcht und Schrecken
Andererseits zeichnet Baxmeyer auch das Bild eines höchst sensiblen Menschen, der sichtlich darunter leidet, einem Kindermörder und -schänder nicht das Handwerk legen zu können. Allein der Gedanke, dass der Prozess mit einem Freispruch enden könnte, macht Borowski fast wahnsinnig und die Vorstellung, dass für einen Scharfschützen das Töten ein Teil eines technischen Vorgangs darstellt, ist für ihn nahezu unerträglich. Wie beinahe alle Charaktere in dieser Episode sieht sich auch Borowski mit dem starken Gefühl der Angst konfrontiert. Dargestellt wird dieses Empfinden bei allen handelnden Personen als möglicher Antrieb und Beweggrund menschlichen Handels. Borowski reagiert in solchen persönlichen Krisensituation mit einem Anruf bei Frieda Jung. Bei ihr sucht er Schutz, Trost und Erklärungen für das Gefühl bei dem sie zwischen Angst, Furcht und Schrecken unterscheidet. Schade nur, dass sich die Fehde zwischen Borwoski und seiner Therapeutin in Wohlgefallen und übertriebener Harmonie enden musste.
Insgesamt jedoch wird Klaus Borowski als ein extrem vielschichtig und facettenreich inszenierter Charakter gezeigt, den Milberg exzellent verkörpert! Erstaunlich, dass neben einer so ausführlich dargestellten Hauptfigur auch etliche Nebenfiguren Bestand haben können. Sowohl Michael Gwisdek, als undurchschaubarer Richter, als auch Michael Brandner, der den schmierigen Strafverteidiger mimt, überzeugen in ihren Rollen. Einzig Borowskis neuer Assistent wird vernachlässigt.
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"Ich kann aber hier kein Urteil sprechen"
Etwas enttäuschend ist das abrupte Ende, das dem Zuschauer nach 90 Minuten einmal mehr vor Augen führt, wie groß die Ambivalenz zwischen Recht und Gerechtigkeit sein kann. Präsentiert wird dem Publikum ein Täter, der keine Reue zeigt und seiner gerechten Strafe nicht zugeführt werden kann. Allerdings scheint zumindest bei Borowski, der sich nach der Aufklärung des Verbrechens "wie neugeboren" fühlt, eine Form von Katharsis stattgefunden zu haben - aber schließlich hat er in dieser Episode ja auch eine gehörige Portion an Furcht und Mitleid durchlitten!
So manch einem Zuschauer dagegen spricht Richter Voigt aus dem Herzen, wenn er am Ende verkündet: "Ich kann aber hier kein Urteil sprechen". Denn einerseits ist "Macht der Angst" zwar ein durchaus spannender Krimi, andererseits jedoch sicherlich kein Tatort-Highlight, das einem im Gedächtnis bleiben wird.
Katharina Gamer
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