Die Untiefen der Idylle
Drehbuchautorin Susanne Schneider über ?Tatort ? Blutsbande?
Würden Sie sagen, dass ?Blutsbande? eine Geschichte von Abhängigkeiten innerhalb einer Familie ist?
Es geht um Verlogenheit, um mangelnde Offenheit in einem Kreis scheinbar sehr
vertrauter Menschen. Die Menschen, die man glaubt am besten zu kennen, kennt man
in Wirklichkeit am wenigsten.
Die Lüge hat es da am einfachsten?
Ja, weil man nicht mehr nachfragt, weil man glaubt, alles zu kennen und weil die
Mechanismen des Versteckens deswegen umso besser funktionieren.
Die nächste Generation leidet darunter am meisten?
Die Kinder werden tatsächlich zu den Opfern. Sie leiden unter einer Ordnung, die nicht
mehr hinterfragt wird und natürlich auch unter den Abgründen, die sich dahinter
verbergen. Diese Kluft zwischen scheinbarer Ordnung und dem, was dahinter lauert, ist
für die beiden Mädchen am wenigsten zu überbrücken.
Die Außenwelt kommt ohnehin in dem Film nicht häufig vor, trotzdem spürt man sie.
Ich glaube, gerade weil man sie wenig sieht, schwingt sie in der Hermetik dieser Familie
die ganze Zeit mit. Die Dinge passieren, so wie sie passieren, weil man die Außenwelt
versucht draußen zu halten. Gäbe es da eine Durchlässigkeit, wären die Vorfälle nicht
so eskaliert.
Klara Blum bewegt sich in dieser Welt mit einer Mischung aus Zuwendung und
Professionalität.
Ich sehe sie bei diesem Fall in der Tat zugewandt, aber eben auch professionell
geschickt. Diesen Spagat zwischen Beruf und Neigung, den muss sie ja immer wieder
ausloten, und diesmal geht sie sehr strategisch vor. Sie weiß genau, wann sie
Zuwendung zeigen, wann sie eine Grenze setzen muss. Wann sie der Wärme Raum
gibt, die sie als Person mitbringt, und wann die Polizistin überwiegt. Ich wollte, dass sie
ihre Psychologie hier sehr bewusst einsetzt.
Wie wichtig ist ein Milieu, sind Schauplätze, wenn man sich eine solche Geschichte
ausdenkt?
In diesem Fall würde ich fast sagen, dass sie eine zentrale Rolle spielen. Im Kern
könnte diese Geschichte natürlich auch in der Großstadt spielen, aber sie hätte eine
ganz andere Ausformung. Ich glaube, dass der Umgang der Leute miteinander, auch
ihre Sicht auf die Außenwelt und umgekehrt, in einer ländlichen Gegend anders
funktionieren. Außerdem habe ich mit Bedacht Berufe gewählt, die sehr mit der
Bodenseeregion verbunden sind. Die im Übrigen später den Lauf der Geschichte auch
bedingen, aber mehr kann man nicht sagen, ohne das Ende zu verraten.
Der sommerliche Bodensee scheint eine fast zu idyllische Landschaft für ein
Verbrechen, im Winter sieht das schon anders aus.
Ich finde, dass das nur eine Oberflächenidylle ist, dass das Bedrohliche auch im
Sommer spürbar bleibt. Mir zumindest fällt beim Anblick des Bodensees immer ein, wie
viele Leute da schon ertrunken sind, die geheimnisvolle Schlucht, die es da gibt, wo
immer mehr Taucher verschwinden. Bei anderen Seen ist das nicht so, aber beim
Bodensee empfinde ich einen Sog, hinter dem die Bedrohung lauert, auch im Sommer.
Das ist einer der Gründe, warum ich gerne für das Format schreibe, das hat tatsächlich mit der Gegend zu tun. Ich kenne ja meine Landsleute, die Schwaben, und finde den Kontrast spannend zwischen diesem Braven, das sich um den See herumgruppiert, und den mannigfaltigen Todesarten und Verbrechen, die in und an diesem sich so glänzend darbietenden Wasser möglich sind.
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