?Sie hat keine Allüren.?
Interview mit Sabine Postel
Wird Inga Lürsen von ihren eigenen Kollegen hintergangen? Bild: RB/Jörg Landsberg |
Sie feiern in diesem Jahr ?10 Jahre Inga Lürsen?. Wie ist das: Zehn Jahre Tatort? Können Sie dieses Gefühl in Worte fassen?
Als wir angefangen haben, waren gewisse Unsicherheiten da. Wie etabliert man sich? Wie ist der Charakter der Figur? Dann wurde es ja zwischenzeitlich etwas inflationär mit der Frauenquote beim Tatort, so dass man noch mehr bemüht sein musste, sich eine gewisse Einzigartigkeit zu bewahren. Ich glaube, das ist uns gut gelungen. Die Figur Inga Lürsen hat man inzwischen als eine Person kennen gelernt, die sehr für ihre Ideale steht. Sie ist eine Frau, die einerseits sehr kämpferisch ist, auf der anderen Seite aber auch auf dem Boden geblieben ist. Sie hat keine Allüren. Wir merken, dass die Leute sie lieb gewonnen haben.
Gibt es einen Fall oder eine Begegnung, irgendetwas das Sie am meisten beeindruckt hat?
Das kann ich eigentlich so nicht sagen. Das Tolle an der Tatort-Reihe ist, dass es immer abwechslungsreich ist, weil wir jedes Mal ein anderes Thema haben. Wir haben zudem fast jedes Mal einen anderen Regisseur, einen anderen Kameramann, oder ein Teil des Teams ist neu. Das ist spannend, weil es immer ein Neueinstieg ist. Natürlich gibt es Filme, die einem mehr unter die Haut gehen, und andere weniger. Das hängt von vielen Faktoren ab ? was es für eine Geschichte ist, oder mit welchen Kollegen man spielen kann. Wir sind ja immer sehr hochkarätig besetzt. Der Tatort ?Abschaum? ist zum Beispiel ein Film, den ich grandios finde. Er behandelt eine Thematik, die sehr aktuell ist, genau wie unser neuer Tatort. Hier geht es um das Thema ?Mobilfunk?. Ungefähr jeder zweite Tatort von Radio Bremen ist ein sozialkritischer Krimi. Der Tatort ?Abschaum? gehörte natürlich mit dem Thema ?Kindesmissbrauch? dazu. Das war eine furchtbare Geschichte, die auch auf einer Original-Dokumentation basierte. Dieses Thema hat mich sehr beschäftigt. Einer meiner Lieblingsfilme ist auch der Tatort ?Schatten?. Bei beiden Filmen hat Thorsten Näter das Buch geschrieben und Regie geführt.
Frau Postel, sie sagten der neue Tatort behandelt wieder ein aktuelles Thema. Worum geht es genau?
Es geht um eine junge Frau, die glaubt, dass ihre kleine Tochter, die an Leukämie gestorben ist, deshalb ums Leben gekommen ist, weil die Strahlen von Mobilfunkantennen diese Krankheit verursacht haben. Diese Frau kämpft vehement gegen die Strahlenbelastung, die von den Sendemasten ausgeht. Sie hat es bereits geschafft, eine einstweilige Verfügung gegen einen Mobilfunkbetreiber durchzusetzen. Nachdem ihre Tochter gestorben ist, läuft sie Amok. Sie versucht, sich an allen Menschen zu rächen, die vermeintlich am Tod ihrer Tochter Schuld haben. In ihrer Verzweiflung stürzt sie sich vom Dach des Justizgebäudes. Das ist der Anfang der Geschichte. Ihr Sohn versucht nun, seine Mutter zu rächen. Alle sagen, sie sei verrückt gewesen, schizophren, einfach durchgeknallt. Er will beweisen, dass seine Mutter nicht verrückt war und versucht, sich an der Gesellschaft rächen. Er läuft ebenfalls Amok. Unsere Aufgabe ist es, den Jungen zu stoppen und Inga Lürsen hat sich geschworen, für diese Frau zu kämpfen und zu beweisen, dass an derer Beurteilung dieser verstrahlten Situation ein Funken Wahrheit ist. Sie glaubt ihr als Einzige.
Inga Lürsen glaubt ihr als Einzige. Wie ist das mit Ihnen, machen Sie sich auch Gedanken über das Thema Strahlen?
Natürlich mache ich mir Gedanken darüber. Je mehr man sich mit der Materie beschäftigt, umso kritischer geht man damit um. Wenn man zum Beispiel weiß, dass es sich eventuell genverändernd auswirken kann, wenn Männer das Handy permanent in der Hosentasche mit sich herumtragen, macht einem das schon Sorge. Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er sein Handy woanders tragen soll. Es kann nicht gut sein, wenn er den ganzen Tag mit dem Handy in der Tasche auf standby durch die Gegend läuft. Weil man mobil sein muss, das Handy als Wecker benutzt oder als Uhr und auch immer erreichbar sein will für die Produktion und die Familie, habe ich das Handy auch immer am Körper getragen. Wenn ich einen Film drehe, habe ich keine Handtasche dabei und trage das Handy somit immer am Körper. Wenn ich schlafe, liegt es auf dem Nachttisch als Uhr und ist eigentlich nie ausgeschaltet. All diese Dinge werden einem natürlich extrem bewusst, wenn man sich mit der Thematik beschäftigt. Es gibt ja noch keine Langzeitstudien. Viele Studien werden natürlich ganz vehement von den Mobilfunkbetreibern mit so genannten Gegenstudien beantwortet. Man sollte sich mit diesem Thema schon ernsthaft auseinandersetzen.
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