Mit dem Genre spielen
Gespräch mit Drehbuchautorin Dorothee Schön
Bild: Dorothee Schön |
Frau Schön, ?Sterben für die Erben? ist ein komödiantischer ?Tatort?. Haben Sie darin einen Streit in Ihrer Familie verarbeitet?
Glücklicherweise spreche ich nicht aus eigener Erfahrung. Obwohl ich in meiner
Umgebung sozusagen auf den Rängen verfolgen konnte, wie so ein Erbstreit in eine
echte Schlacht ausarten kann. Grundsätzlich denke ich, dass das Erben ein Urthema
dafür ist, wie in einer Familie Konflikte aufbrechen können. Das kann man tragisch
erzählen, aber auch mit einem Augenzwinkern. Hier habe ich mich für das
Augenzwinkern entschieden. Familiendramen eignen sich ja hervorragend für
Komödien.
Einschließlich einer gewissen Überzeichnung?
Ja. Ich dachte, dass die Zuschauer vielleicht ihr Vergnügen an dieser Überzeichnung
haben, hinter der oft etwas Wahres steckt. Trotz der Überzeichnung und in der
Überzeichnung erkennt man die ein oder andere Verhaltensweise aus der eigenen
Umgebung wieder und denkt sich, dass Tante Luise auch nicht viel anders ist ... Ich
wollte mich über die Figuren nicht lustig machen, die Probleme der Hotelbesitzerin und ihres Sohnes z. B. sind durchaus ernst zu nehmen. Aber mit dem komödiantischen Ansatz kommt man der Wahrheit oft näher, als wenn man alles tragisch sieht.
Zu den Möglichkeiten des ?Tatort?-Erzählens gehört auch die Komödie?
Ja. Die Münsteraner ?Tatorte? mit Liefers und Prahl haben gezeigt, wo die Möglichkeiten dieses Genres liegen. Wichtig ist, dass man dabei die Fälle noch ernst nehmen kann, dass es sich um reale Probleme handelt. Wenn man das Erbrecht kennt, weiß man, dass es hier um reale Probleme geht. Und man ahnt auch, dass diese Art von Krieg, auch wenn nicht gleich Tote gibt, in der ein oder anderen Form wahrscheinlich überall tobt. Da bleibt dieser ?Tatort? durchaus an der Realität.
Wir Zuschauer erleben diese Welt, die manchmal geradezu groteske Züge trägt, mit
dem Blick von Lena Odenthal?
Mit Lena gehen wir hinein und staunen über die Unerbittlichkeit und die Gefühlswallungen in dieser Familie. In manchen Szenen schaut sie fast wie bei einem Tennisspiel von einem zum anderen und es bleibt ihr schier die Luft weg. Ich glaube, dass Ulrike Folkerts großen Spaß daran hatte, auch wenn sie diesmal nicht die toughe Aktive ist. Oft ermittelt man ja als Kommissar in Umständen, in denen einem die Opfer leid tun und die Kommissare sind selbst engagiert und betroffen. In diesem Fall, denke ich, stand die Betroffenheit nicht im Mittelpunkt. Das kann auch mal eine Erleichterung sein.
Hatten auch Sie als Autorin Spaß? Oder ist es dann auch bei einem komödiantischen
?Tatort? vor allem Arbeit?
Komödien zu schreiben ist ja oft harte Arbeit. Das Leichte ist meist schwer zu machen. Man soll noch ernst nehmen können, worum es da geht und trotzdem soll das Quäntchen mehr das sein, das man braucht, um Heiterkeit zu erzeugen. Aber ich
hatte Lust, mit dem Genre zu spielen. Ein Format wie den Lena-Odenthal-Tatort mal
wieder aufzubrechen und etwas anderes zu probieren. Ich hoffe, dass auch die Fans
der toughen, ernsten Seite Lena Odenthals ihren Spaß daran haben. Als Krimi-Autor
ist man ein Hütchen-Spieler, mal hat man viele Hütchen und mal wenig Hütchen auf
dem Tisch, und die muss man geschickt bewegen. Man freut sich, wenn man wieder
einen neuen Trick findet, um die Zuschauer zu überraschen. Das war diesmal ein besonderes Hütchen-Spiel. Ich hoffe, das in diesem Fall niemand erraten wird, unter welchem Hütchen die Kugel versteckt ist...
Mein Vergnügen lag dann aber auch darin, in Lars Montag einen Regisseur zu haben, der das auch aufgriff, Spaß daran hatte und nicht vor dem schrägen Humor
zurückschreckte. Er hatte den Mut, in der gleichen Richtung weiterzuarbeiten, so dass etwas Rundes daraus geworden ist. Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber es ist in sich stimmig. Dazu gehört auch das konsequente Ende, das ja auch kein ?Tatort?-übliches ist und wieder auf den ernsten Kern der Geschichte zurückführt.
?Ihr werdet ernten, was ihr gesät habt?, könnte man als Motto über diesen ?Tatort?
schreiben.
Es gibt ein Sprichwort, das lautet ?An den Scherben erkennt man den Topf?. Ich
denke, man kann auf den verstorbenen Hotelbesitzer schließen, indem man das
Wesen und die Konflikte seiner Kinder zusammensetzt. In einer so schwierigen und
tristen Umgebung entstehen weder ein glückliches Familienleben noch neid- und
konkurrenzlose Geschwisterbeziehungen. Wahrscheinlich werden viele Zuschauer vor allem neugierig darauf sein zu sehen, wie diese Familie zusammenhängt, in der keiner Trauer oder Betroffenheit heuchelt.
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