Statement von Ursula Karven
?Ich möchte keine perfekte Staatsanwältin darstellen?
Dramatischer könnte ein ?Tatort?-Auftakt für mich kaum
sein: Die tödlichen Kugeln eines Heckenschützen treffen
einen Journalisten und pfeifen nur knapp an mir als Staatsanwältin
Wilhelmi vorbei.Natürlich wirft mich dieser Angriff
aus der Bahn ? so wie jeder Todesfall einen Menschen
aus der Bahn werfen würde, vor allem, wenn ein Mensch
direkt vor den eigenen Augen ums Leben kommt.Wanda
Wilhelmi möchte den Fall unbedingt selbst betreuen ? sie
möchte vor dem Tod nicht davonlaufen, sondern ihr Gefühl
für ihr Leben wieder in den Griff bekommen.Die Suche nach
dem Täter soll ihr dabei helfen, ihr inneres Gleichgewicht
wiederzufinden.
Wilhelmi nutzt die Chance, bei der Präsentation eines
Hochhausprojekts quasi zufällig und rein privat den Hauptverdächtigen
Alexander Radu zu treffen. Ihr entscheidender
Fehler besteht allerdings darin, dass sie sich emotional
auf Alexander Radu einlässt. Damit verstößt sie gegen alle
Prinzipien ihres Berufs ? und es ist ihr sogar bewusst. Es
reizt mich wie vermutlich jede Schauspielerin sehr, eine
Figur mit Brüchen zu spielen. Eine aalglatte Staatsanwältin
würde die Zuschauer vermutlich eher langweilen als fesseln.
Da wir alle nicht perfekt sind,möchte ich auch keine
perfekte Staatsanwältin darstellen, sondern eine Frau ? und
zwar eine Frau, die Fehler macht, aber zumindest so schlau
ist, daraus zu lernen.
Kommissar Casstorff entwickelt viel Verständnis für sie ?
und so wachsen beide noch enger zusammen. Beide haben
Ecken und Kanten, und auch ihre Liebe ist keine völlige Verschmelzung,
wie sie im Gefühlsrausch der Jugend entsteht.
Bei einer Liebe unter Erwachsenen gibt man nicht gleich
sein ganzes Leben für den anderen auf. Als Staatsanwältin
und Kommissar wird es beruflich bedingt immer Reibungen
und ein Rest-Misstrauen zwischen ihnen geben, aber in
der Krise halten sie schon zusammen.
Die Korruption in Politik und Verwaltung, wie wir in diesem
?Tatort? schildern, ist bestimmt kein Hirngespinst. Ich halte
unsere Geschichte für absolut wirklichkeitsnah. Da brauchen
wir uns nichts vorzumachen, wie viele Menschen in
staatlichen Positionen oder im Management korrupt sind.
Dagegen stehen einige wenige Geradlinige, die hin und
wieder einen Teil dieser Machenschaften auffliegen lassen.
So war es schon immer, und so wird es immer sein.
Regisseurin Claudia Garde hat mir so viele wunderbare Aufgaben
gegeben,Wanda Wilhelmi durfte so viele emotionale
Wandlungen und Wendungen zeigen, dass ich jeden Tag
mit großer Spielfreude an diesem Film gearbeitet habe.
Ich liebe das Prinzip ?heiß und kalt?, das diese Figur prägt,
außerordentlich und konnte es diesmal voll ausspielen.
Ob nun ein Mann oder eine Frau Regie führt, ist dabei ohne
Belang. Für mich gibt es nur gute und schlechte Regisseure
? und Claudia Garde gehört mit Sicherheit zu den guten.
Wichtig ist, dass die Regie eine klare und intensive Vorstellung
von den Figuren hat, an der ich als Schauspielerin
mich auch einmal reiben kann.
Mein Filmpartner Tonio Arango hat mich sehr überrascht.
Er ist nicht nur ein richtig guter Schauspieler, sondern
auch ein sehr witziger Mensch, mit dem keine Langeweile
aufkam.
Obwohl ich privat auf Mallorca lebe, gibt mir das hanseatische
Flair sehr nahe.Würde ich nach Deutschland zurückziehen,
was ich mir durchaus vorstellen kann,wäre Hamburg
die Stadt meiner Wahl ? ich fühle mich sehr, sehr wohl
in Hamburg.
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