Ein Polizist wacht neben der ans Bett gefesselten Literaturagentin auf, und verständigt sofort eine Kollegin. Sie ist sofort von der Unschuld überzeugt, welche Matthias Erler beteuert.
Während Ehrlicher und Kain im Dunkeln tappen, und im Verlag nachfragen, wo die nun als Bestsellerautorin enttarnte Ulrike Oppermann ihre Bücher veröffentlichen ließ, beschließt die verliebte Polizeiobermeisterin Anna Stein, die ermordete Mimi Blaise zu spielen, deren bürgerlicher Name vielleicht nicht so viel Wind gemacht hätte. So mag der Mörder vielleicht aus dem Schatten treten. Doch bekanntlich kommt manchmal alles anders, als man denkt, und so gerät ans Licht, dass sich die Literaturagentin nur als Mimi Blaise ausgegeben hat, während die Bücherschreiberin an einem geheimen Ort ihr Leben weiterhaucht.
Die "dunklen Engel"
Was denkt Robert Lützgen? Bild:MDR |
Dennoch rückt Anna Stein nicht von ihrem Plan ab, und taucht bei der Pressekonferenz auf der Leipziger Buchmesse als vermeintliche Mimi Blaise auf. Die wenig originellen Fragen der Journalisten beantwortet sie mit Bravour. Bald aber kippt die Geschichte ein weiteres Mal, als der "Biograph" von Mimi Blaise auftaucht, und glaubt, bei einem Treffen die Bestsellerautorin vor sich zu haben. Er führt sie zu einem merkwürdigen Ort, wo kuriose Gestalten die kriminelle Energie der "dunklen Engel" abfeiern. Ehrlicher und Kain erfahren nur wenig später ein Geheimnis, das letztlich sehr hilfreich ist, um den Fall zu klären.
Leipziger Buchmesse nur Staffage
Techniker Walter und Kollegen am TAT-Ort (Bild:MDR) |
Die letzten Minuten sind von Spannung geprägt, die über fast 80 Minuten nicht mal von Weitem greifbar war. Damit wird immerhin die totale Katastrophe verhindert.
Für den Bücherfreund stellt dieser Fall der Leipziger Kommissare zweifellos eine befremdende Symptomatik dar. Zwar werden ein paar Bücherstände kurzfristig ins Bild gesetzt, und Ehrlicher steht wie in Stein gemeißelt hinter einem Pult, und hält ein Buch in der Hand. Das ist aber auch schon der einzige "Bezug" zur Literaturlandschaft. Ach ja, bei der Signation wird der Titel Racheengel originellerweise wie mit einer Schreibmaschine abgedruckt. Schließlich soll ja Mimi Blaise ihre Manuskripte immer noch mit der Schreibmaschine tippen.
Schräger "Tanz" in den Katakomben
Die Romane rund um Sariel stehen im Mittelpunkt. Bild:MDR |
Ein mittelständiger Verlag erklärt sich bereit, so locker mal eine Million Euro für das Manuskript der Autorin aufzubringen, das angeblich verschwunden ist. Die einzige Autorin mit Zugkraft muss gehegt und gepflegt werden. Alle anderen Autorinnen und Autoren schrieben ohnehin nur Bücher, die zu Flops gerieten. Also, ran an den Speck, und schön Süßholz raspeln bei der Star-Autorin. Dieses Image wird durch die Kasperliaden konterkariert, die in den Katakomben der "dunklen Engel" sichtbar sind. Da tragen "lebendige" Sariels (so heißt der Romanheld von Mimi, der als "dunkler Engel" Kriminalfälle löst - wie schauderhaft!) den ganzen Tag über "Kontaktlinsen", über die sich Ehrlicher ehrlich verwundert zeigt.
Gespensterstunde ohne Ende
Carola Nagel arbeitet in dem Verlag, für den Mimi Blaise schreibt. Bild:MDR |
Wer sich übernimmt, geht bankrott. Der Verlag liegt also im Argen, was kein Wunder ist. Und so ein kleiner Trommelwirbel rund um Mimi Blaise hätte die Marketingmaschine gut angetrieben. Dann aber wird die vermeintliche Bestsellerautorin umgebracht, und die hübsche Polizeiobermeisterin kann höchstens für Schwachmatiker als "Fräuleinwunder" durchgehen. Dafür wird's am Ende brenzlig, also alles in Butter.
Die Geschichte gibt wenig her, weil sie genauso unrealistisch ist wie dieser Pseudo-Held, der in einem Kostüm, das bei Halloween keine Abnehmer fand, Verbrechen aufklären soll. Der Rummel im Mediengestrüpp und die Protestschilder erboster Leser der Bücher von Mimi Blaise, auf denen Sariel darf nicht sterben prangt, wird von jedem verfilmten Kindergeburtstag um Lichtjahre in den Schatten gestellt.
Hier riecht es nach Plagiat im Märchenwald!
Aus für das schönne Mäuschen von der Polizei. Bild:MDR |
Und dennoch gibt es einen positiven Aspekt, auf den tunlichst hingewiesen wird: Der Titel Copyright für diesen Fall wäre der Geschichte nicht angemessen gewesen. Zwar spielen das Urheberrecht, und konsensual auch der plagiatorische Aspekt eine wesentliche Rolle - jedoch nur am Rande einer verworrenen und dramaturgisch misslungenen Krimi-Annäherung.
Die Bücher sind nur Fassade in diesem TATORT. Bild:MDR |
Die Routine von Ehrlicher und Kain kann ein Märchen aus der Rappelkiste nur marginal retten. Die Engel der Dunkelheit haben sogar gegen Harry Potter keine Chance. Keine Ahnung, warum die Leipziger Buchmesse überhaupt für ein paar kurze Momente ins Bild gesetzt wird. Der Märchenwald mit dem bösen Zauberer, und dem süßen Mädchen, das sich schließlich als hässliche Stiefmutter entpuppt, wäre als Kulisse ausreichend gewesen. Wer sich einen Einblick in die Verlagsszene oder die "andere Welt", wie sie Autoren bevölkern mögen, erwartet, wird aus dem Staunen nicht herauskommen. Außer einem verbandelten Verlagsduo und einer langweiligen Autorin sowie einem "begabten" Biographen bleiben die "Realitäten" unsichtbar, sodass ich die Märchenstunde nun für beendet erkläre.
Jürgen Heimlich