Ein TATORT zum Bügeln
Beim achten Fall des Münsteraner Kommissars Frank Thiel und seines Kollegen, dem Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne geht es gewohnt lustig her. Diese nette Seichtigkeit ist durchaus gelungen und der Zuschauer verlebt zufrieden einen unterhaltsamen Abend. Und doch fehlt etwas. Es stellt sich die Frage: Was macht eigentlich einen wirklich guten TATORT aus?
Warum schauen so viele Menschen am Sonntagabend den TATORT? Sicher, zum einen ist es schlicht Tradition geworden, häufig einer der wenigen Momente, in denen sich die Familie versammelt, mit Schnittchen und Bierchen auf dem Sofa. Diese Tradition begründet haben jedoch vor allem jene TATORTE, die das Genre Kriminalfilm nutzen, um sich mit gesellschaftlich relevanten Themen zu beschäftigen. Deren Serien-Charakter lediglich der Rahmen war, Facetten des Verbrechens in unterschiedlichen sozialen Milieus aufzuzeigen und Überlegungen zu möglichen Ursachen über die Täter-Opfer-Ebene hinaus zu machen. Die angeschnittenen Themen müssen natürlich nicht gleich Tabu-Themen sein, ein TATORT muss keine weltumwerfenden Neuigkeiten offenbaren (dafür sind wir sowieso zu auf- und abgeklärt). Aber ein großer Reiz besteht darin, ungewohnt und unkonventionell einen Sonntagabend zu gestalten, der über die 90 Minuten hinaus wirkt.
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Indiz Münster
Nun, es gab immer Ausnahmen, auch wenn sie sich in den letzten TATORT-Jahren häufen. Ein Indiz: Das Münsteraner TATORT-Konzept. Hier ist der Seriencharakter Programm, also jene Elemente, die bei vielen - und bei den guten - TATORTEN eigentlich bloß Versatzstücke sind, um im formal Gewohnten das inhaltlich Ungewöhnliche zu präsentieren. Was nicht bedeutet, dass das Münsteraner-Konzept nicht gut gemacht sei. Man unterhält sich wunderbar - mehr aber auch nicht.
In "Der doppelte Lott" geht es um die kommunale Politik, es ist Wahlkampfzeit im schönen schwarzen Münster. Der Top-Kandidat ist der rechtsextreme Frieder Lott - und genau der wird am Rande einer Demo gegen ihn und seine ausländerfeindliche Politik ermordet. Doch dann stellt sich raus: Es ist gar nicht der Frieder, sondern sein Doppelgänger, der Kabarettist Joachim Montell, der den Lott in seinem Bühnenprogramm mit Leidenschaft aufs Korn nahm.
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Verkomplizierte Story
Sicher, eine leichte Brisanz besitzt auch dieses Thema, aber es bleibt oberflächlich. Gelungen sind höchstens einzelne Dialoge, so zum beispielsweise wenn der Politiker Lott über den homosexuellen Montell sagt: "Was stört es die deutsche Eiche, wenn sich ein schwules Borstenschwein an ihm wetzt?"
Boerne und Thiel jedenfalls müssen nun herausfinden: Wem galt der Anschlag, dem Populisten Lott oder dem Kabarettisten Montell? Mögliche Täter und Motive finden sich für beide. Verkompliziert wird die Ermittlungsarbeit durch Nebenschauplätze, an denen Boerne und Thiel sich aufhalten: Der attraktive Gerichtsmediziner wird verdächtigt, einen Menschen mit dem Auto tödlich verletzt und auch noch Fahrerflucht begangen zu haben. Der nicht ganz so attraktive Thiel verguckt sich in Larissa, eine Studentin aus Kiew. Und natürlich hängt alles irgendwie miteinander zusammen...
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Prima Unterhaltung
So plätschert es vor sich hin und man unterhält sich prima. Nach einer halben Stunde entscheidet sich dann vielleicht doch der ein oder andere Zuschauer, das Bügelbrett hervor zu holen oder gleichzeitig ein paar Unterlagen wegzuräumen, denn dem Geschehen lässt sich auch so folgen - und durchaus herzlich über die Sticheleien zwischen Thiel und Boerne lachen.
Dabei schließt Humor nicht den Tiefgang oder die Ernsthaftigkeit eines Falles aus. Das hat schon das Klassiker-Team Stoever / Brockmüller bewiesen, und das wohl beste Beispiel ist der Münchner Fall "Frau Bu lacht" (1995). Aber selbst bei Thiel / Boerne hat sich ein solcher Fall verirrt: Bei "Dreimal schwarzer Kater" (2003) geht es um Sterbehilfe - ein schwieriges, emotionales Thema, wunderbar vermischt mit einer hier sanft wirkenden Portion Humor. Aber das war leider die Ausnahme.
Insgesamt hat sich diese unterhaltsame Leichtigkeit ohne Biss leider schon längst über die Münsteraner Stadtgrenzen hinaus bei anderen TATORT-Produktionen eingebürgert. Es bleibt die Hoffnung, dass man nur bei den Westfalen mit Sicherheit sagen kann: Heute kann gebügelt werden.
Ariane Arndt
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