Beschreibung:
Lena Odenthal
Lena Odenthal ist eine starke Frau. Sie hat gelernt, sich durchzusetzen. Männer gehören zu ihrem Alltag. Sie sind kein Streitobjekt, sondern eine ausdauernde, vertraute Reibefläche. Lena Odenthal ist schön. Aber sie macht sich nichts draus. Sie ist völlig uneitel. Diese Haltung hat auch etwas Kindliches. Das ist typisch für sie: Ihr Lebensglück ist nicht an modische Schnick-Schnack-Erscheinungen gebunden. Sie hat keinen Fetisch, dem sie Opfer bringt. Sie empfindet sich einfach als das, was sie war und was sie ist. Deshalb ist sie auch ein ziemliche Egozentrikerin, beharrlich und zäh bis zum Ab-winken, wenn es um ihre Überzeugungen geht.
Bei ihren Männerkollegen geniesst Lena ungebrochenen Respekt. Als sie vor einigen Jahren zur Hauptkommissarin befördert wurde, hat es erstaunlicherweise kaum ein
böses Wort gegeben. Lena hat einfach ihren Krempel vom Schreibtisch geräumt und ist ein Zimmer weiter gezogen, so einfach ging das. Und natürlich hat sie sich geweigert, ihren Einstand als Chefin mit dem klassischen Stehumtrunk zu begehen. Statt dessen hat sie ihren Männern ein ganz besonderes Geschenk gemacht: Sie hat dafür gesorgt, daß die alte Stechuhranlage abmontiert wurde. Mit den Worten: »Da ihr jetzt eh alle länger da sein werdet, brauchen wir die nicht mehr.« Lena leidet. Manchmal fragt sie sich, warum sie ausgerechnet diesen Job macht, ihr Studium an den Nagel gehängt und mit allem, was war, gebrochen hat. Feststeht, daß sie sich - auch nach Jahren beruflicher Praxis - nicht an den Alltag von Unrecht, Gewalt und Verbrechen gewöhnen kann. Sie weiß damit umzugehen, aber insgeheim verzweifelt sie auch ein wenig daran. Was die wenigsten ahnen: Lena, kühl und abgeklärt nach außen, identifiziert sich ruckhaltos mit ihren Fällen. Mario Kopper hat sie einmal neugierig gefragt, warum sie immer den Vornamen des Toten benutzt, wenn sie von einem bestimmten Fall redet, selbst, wenn der seit Jahren aufgeklärt ist. »Du weißt, warum, Kopper, und deshalb arbeitest du mit mir zusammen. Und im übrigen geht Dich das nichts an, klar?« Kopper hat sie so schnell nichts mehr gefragt.
Lenas Leben hat sich verändert. Sie ist so umfassend gefordert von ihrem Job, daß sie kaum noch Zeit hat, sich irgendeine private Nische zu sichern. Seltsamer-weise vermißt sie auch nichts. Ab und zu, spät abends, schaut sie sich eine Fußballübertragung an, mehr nicht. Ihre Mannschaft war der 1. FC Kaiserslautern und ist jetzt der SC Freiburg; das entspricht ihrer Lebensphilosophie.
Es gibt etwas, das findet sie an Kopper originell und darum bewundert sie ihn auch ein wenig: Elvira, seine italienische Mama. Lena hat keine Eltern mehr. Ihr Vater war zwanzig Jahre lang Bürgermeister von Siegelbach, einem pfälzischen Zwischending von Kuhdorf und Kleinstadt, nicht weit von Kaiserslautern. Sie hat ihn geliebt, aber mußte mitansehen, wie er langsam an der Provinz verzweifelte. Ihre Mutter ist übrigens sehr früh schon gestorben. Und Lena, die Älteste, hat sich zu Hause bald schon um alles gekümmert. Befehlen hat ihr immer schon gelegen, und die alte Haushälterin von damals weiß ein Lied davon zu singen. Ihre beiden Schwestern hat sie völlig aus den Augen verloren. Nach der Beerdigung des Vaters sind die drei in verschiedene Richtungen davonmarschiert. Das einzige, was sie verbindet: Nach Siegelbach bringen sie keine vier Pferde mehr.
Lena hat einen Freund: »Mikesch«, ihren Kater. Und sie steht auf Espresso, vor allem auf die Spezialmischung, die Kopper von seine Mama besorgt und mit ins Büro bringt. Deshalb weiß Lena auch alle Urlaubstermine von ihrem Assistenten auswendig. Bevor Kopper geht, muß er jedesmal den Schrank auffüllen.
Lena war früher ein Müsli und ist inzwischen ein Fan von guten, sportlichen Klamotten und ausgewählten Möbel-stücken. Ihre Privatwohnung hat die originelle Eleganz einer selbstbewußten jungen Frau und ist dennoch persönlich gestaltet. Im Büro allerdings begnugt sie sich mit dem Inventar, das sie vorfindet: altdeutsch, bodenschwer. Lena weiß, daß es keinen Sinn macht, hier etwas verändern zu wollen. Und ist hier, ihrem Wesen enstprechend, anspruchslos.
Und dann ist da doch etwas, was sie gerne macht: Schwim-men. Das ist ihr Sport: Alle fünfzig Meter eine Wende und das zwanzigmal hintereinander, zwischen sieben Uhr dreißig und sieben Uhr fünfundvierzig, aber nur, wenn sie qerade nichts zu tun hat. Das einzige, was ihr dabei auf den Keks geht, sind die Spanner, die ihr mit dicken Schwimmbrillen hinterher-hecheln, aber was soll's, die hängt sie soundso mühelos ab.
Mario Kopper
Mario, 36, hat eine italienische Mutter und einen deutschen Vater. Er ist ein waschechtes Ludwigshafener Arbeiterkind. Das Kuriosum: Obwohl Halbitaliener, war er noch nie in Italien. Immerhin spricht er ganz passabel italienisch, was sich vor allem bei Flüchen und kleinen Zärtlichkeiten bewährt.
Er ist ein Single (wie Lena) und leidet insgeheim darunter (im Unterschied zu Lena). Die Kollegen mögen ihn nicht besonders (bis auf Lena, natürlich). Über sein Privatleben schweigt er sich aus. Lena ist das sympathisch. Mitunter werden über ihn Witze gerissen, aber eher selten. Er ist ein ziemlicher Koloß und bewegt sich ziemlich schwerfällig. Mit seinem Mundwerk ist er dafür umso schlagfertiger. Er sagt, wie's ist, nimmt kein Blatt vor den Mund und macht sich damit nicht gerade beliebt. Oft ist er auch geradewegs geschmacklos.
Lena nennt ihn "Kopper", und, wenn's ihm schlecht geht, auch »Mario«, aber nur dann. Sie weiß, was sie an ihm hat: Nicht gerade den Mann für's Fingerspitzengefühl, aber einen absolut loyalen, kompromißlosen und gewieften Ermittler.
Kopper leidet an Kreuzschmerzen. Er ist mutig, aber nicht tollkühn. Und er gewinnt regelmäßig die Schießübungen, was den Kollegen mächtig auf den Zeiger geht. Kopper ißt für sein Leben gern, am liebsten Antipasti aller Art, aber auch German Junk Food. Essen beruhigt ihn. Und mitunter hat er dabei, wie andere Leute beim Duschen, die besten Ideen.
An seine Kindheit hat Kopper miese Erinnerungen. Er hat immer davon geträumt, in Italien zu leben. Deshalb wählt er auch die SPD, weil er mal irgendwo gehört hat, daß der Scharping ein Haus in der Toskana hat. Seinen deutschen Vater hat er gehaßt. Er hat ihn schlichtweg verdrängt, und, seit dessen Tod vor fast zehn Jahren, einfach aus seinem Leben gestrichen. Elvira Kopper, seine Mutter, liebt Kopper über alles, aber nur dann, wenn er nichts mit ihr zu tun hat, was nicht ganz einfach ist, weil sie ihm ständig Freßpakete aufs Kommissariat schickt und ihn mit Anrufen belästigt. Kopper nervt das zwar, aber - und das ist typisch für ihn - peinlich ist ihrn das auch nicht vor den Kollegen.
Und dann hat er doch etwas, um das ihn die anderen beneiden: Einen Davida-Helm und eine alte Motoguzzi. Jeden Sommer ist sie seine Braut und am liebsten würde er sie mit ins Bett nehmen.
Kopper hat eine weitere Eigenart: Obwohl von schwerer Statur, liebt er elegantes, beinahe filigranes Schuhwerk. Und er ist chronisch ungekämmt
Text: Ulrich Herrmann (Redaktion Tatort SWF)
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